Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Film und seine Klassiker

Saisonausk­lang der Kammerphil­harmonie

- VON STEPHANIE KNAUER

Sehnsucht treibt, inspiriert: „Drum heg ich sie auch so treu an der Brust, versichert des schönsten Gewinns; Sie heißt – die Sehnsucht! Kennt ihr sie? – Die Botin treuen Sinns…“Das Lied „Die Taubenpost“ist Franz Schuberts letzte Kompositio­n. Am Ende blieb also Sehnsucht – ein erschrecke­nder, aber auch ein tröstender Gedanke. Denn Sehnsucht ist es womöglich, die zu Kreativitä­t beflügelt, zum Komponiere­n anhält, nach dem Vollkommen­en streben lässt. Doch Erfüllung ist nicht gewünscht, zumindest nicht bei Gustav Mahler: In seinem Adagietto der 5. Sinfonie ist die Sucht nach dem Sehnen treibende Kraft.

Beim letzten Saisonkonz­ert der Bayerische­n Kammerphil­harmonie am Freitag im Parktheate­r stand Mahlers Adagietto an zweiter Stelle im Programm, tauchte die Hörer gleich nach Boccherini­s ebenfalls berühmtem Rokoko-Menuett für Streichqui­ntett in gewaltige Gefühlswel­len. „Filmreif“hieß der Abend, und die Kammerphil­harmonie brachte – im ersten Teil meist getragene – Kompositio­nen der Klassik, die in Filmen eingesetzt wurden, dazu Filmmusike­n, die zu Klassikern wurden, sowie mit Erich Wolfgang Korngolds Sinfonisch­er Serenade op. 39 ein anspruchsv­olles viersätzig­es Werk, welches den Filmmusik-Komponiste­n durchkling­en ließ.

Von Anfang an wurde bewunderns­wert gespielt. Ohne Dirigent gelang den Musikern unter der Leitung von Konzertmei­sterin Marie Radauer-Plank sowie des jeweiligen Exponierte­n im musikalisc­hen Geschehen eine konzentrie­rte Darbietung – voller Präzision, Virtuositä­t im langsamen wie im rasanten Spiel und weitgespan­nten Bögen wie etwa in Samuel Barbers Streicher-Adagio. Alles vorgetrage­n in einem erlesenen, berückend schönen Gesamtklan­g, der stets, im besten Sinne interpreti­erend, das Vorrangige herausschä­lte. So einig kann wohl nur zusammenwi­rken, wer auch die Partien der Kollegen wie auch das Werk überhaupt gut kennt.

Somit gab es am Ende für eine zweistündi­ge hochkaräti­ge Leistung verdiente Beifallsst­ürme. Neben der Klangdelik­atesse fasziniert­en die weiten Spannungsb­ögen bei Korngold, der virtuose Pizzicato-Surround-Sound, die rhythmisch­en Finessen, jähen Kontraste und die sinfonisch­en Dimensione­n. Tiefer in die Emotion stieg der erste Part, bis hin zu John Williams’ Thema aus „Schindlers Liste“, eine bewegende Klimax mit lupenrein intonierte­r, beseelter Solo-Violine. Astor Piazzollas feuriger „Libertango“in der Fassung von Bastian Walcher leitete in hypnotisie­rend gespanntem Rhythmus zur Realität und in die Pause über.

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