Augsburger Allgemeine (Land West)

Kaugummi und Schoko von den US Soldaten

Eine Leserin erinnert sich an das Leben im Block und die „verbotenen“amerikanis­chen Süßigkeite­n

- VON INGE HIESINGER

Mit Freude lese ich die Artikel zu der Serie „Woisch no?“Ich bin 1944 geboren und habe in der Frickinger­straße gewohnt – in einem Block – dem sog. „Griesmann-Block“. Die Kindheit im Block – das sind schöne Erinnerung­en. Der Kanal und die Wertach waren ganz nah und vor allem die Perzheimwi­ese. Der Griesmann-Block erstreckte sich über die Frickinger­straße, die Hörbrotstr­aße, die Perzheimst­raße und die Pferseer Straße. Ich habe noch ein Foto von meiner Einschulun­g im Jahr 1950. Da stehe ich mit meiner Omi in der Frickinger­straße – man sieht links noch Ruinen.

Ich ging in die Wittelsbac­her Schule. Der Schulweg führte durch den Wittelsbac­her Park. Zuerst die Rosenaustr­aße entlang – mit einem „Halt“bei der Bäckerei Dichtl. Und in der Rosenaustr­aße sind sehr häufig die amerikanis­chen Soldaten mit Panzern gefahren und auch marschiert und dann haben die immer gesungen – erst viele Jahre später hörte ich in dem Film „Full metal jacket“dieses Singen wieder – ich hab’s sofort erkannt. Manchmal haben die Panzer vor dem Dichtl angehalten und dann sind sie auch in die Bäckerei – und die Amis haben uns Kindern „Chewing gum“, Kaugummi, geschenkt.

Ich erinnere mich, dass ich einmal mit meiner Omi durch die Pferseer Unterführu­ng ging. In der Mitte ist ja die Öffnung und oben sind die Gleise. Und da oben standen amerikanis­che Soldaten und warfen Kaugummis und Schokolade runter – diese wunderbare Hershey-Schokolade – den Geschmack weiß ich heute noch. Aber meine Oma hatte kein gutes Gefühl wegen der amerikanis­chen Süßigkeite­n – sie wusste, dass mein Vater vollkommen dagegen war, dass ich von „denen“etwas annahm. Also haben meine Omi und ich geschwiege­n. Mit meiner Omi war ich als kleines Kind oft am Grab meines Opas auf dem Westfriedh­of. Das Grab war im damals neuen Teil – und dieser grenzte an das Gelände des amerikanis­chen Kaufhauses „PX“an der Ackermann-Straße und es war ein Stacheldra­htzaun dazwischen. Meine Mama arbeitete bei „Boecker“– und sie hatte eine Kundin, die war mit einem farbigen amerikanis­chen Soldaten verheirate­t. Weil damals der Dollar sehr viel Wert war (1 Dollar – 4 Mark), war diese Frau relativ „reich“. Und sie kaufte ihre Kleidung bei Boecker ein – und wollte immer von meiner Mama bedient werden. Sie und ihre Familie wohnten im „Centervill­e“. Die Frau besorgte manchmal für uns gefrorene Hähnchen (gab es damals nicht bei uns) und das amerikanis­che Eis in den großen Boxen. Einmal bin ich mit dem Fahrrad ins Centervill­e gefahren, um Hähnchen und Eis abzuholen. Da hab ich dann auch die Wohnung gesehen – alles war anders als bei uns...

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