Augsburger Allgemeine (Land West)
Hier feilschen Mamas im Kaufrausch
Markt Wer die besten Schnäppchen auf dem Kinderflohmarkt im Rosenaustadion ergattern will, muss früh aufstehen. Vor allem Mütter verkaufen hier Kleidung und Spielzeug von ihrem Nachwuchs. Manchmal gibt es auch Streit
Mütter sind fleißig. Sie kaufen fleißig ein, was das Kind begehrt oder dringend benötigt, aber sie verkaufen mindestens genauso fleißig, was dem Kind entwachsen ist oder nur noch in der Ecke des Kinderzimmers einstaubt. Zumindest gilt Letzteres für die Mütter, und so manchen Vater, die am Samstag auf dem Kinderflohmarkt im Rosenaustadion stehen, und um die Preise für Säuglings- bis Jugendkleidung, Playmobile, Lego und Babypuppen feilschen. Manche stehen seit sechs Uhr morgens hier, obwohl der Flohmarkt, organisiert vom Kinderschutzbund Augsburg, erst zwei Stunden später offiziell öffnet. Aber auf dem Flohmarkt gilt nun mal: Wer zuerst kommt, bekommt den besten Platz.
Am Vormittag herrscht ein regelrechter Andrang an den Ständen. Die Besucher kommen nur langsam voran. Die ersten Waren haben ihren Besitzer gewechselt. So trägt der elfjährige Julian sein gerade erwor- benes Playmobile Piratenschiff stolz vor der Brust. Noch heute will er es in der Badewanne einweihen, auf welchen Namen es getauft werden soll, hat er noch nicht entschieden.
Als eine der Ersten heute Morgen hat Melanie Heißerer ihren Stand aufgeschlagen. Einen ganzen Tisch voller Kleidung bietet sie an. Dabei sei das nur die Hälfte von dem, was zu Hause rumliegt. „Ja, da hab ich wohl mal ganz schön zugeschlagen“, gesteht sie beim Blick über die Stoffmassen. Darum wolle sie heute zusammen mit ihrer Freundin, die ihren Stand nebenan hat, auch bis zum Abend durchhalten oder zumindest so lange, wie die Männer die Stimmung der Kinder, die im Kinderwagen dahinter quengeln, halbwegs aufrechterhalten können.
Nur ein paar Stände weiter ersteht Christina Bischofberger gerade ein Paar pinke Gummistiefel für die Tochter und packt sie in ihre Plastiktasche mit der Aufschrift: Mama im Kaufrausch. Diesem Motto entsprechend begeistert sie sich für das Angebot. „Hier hat man die Mög- lichkeit, günstig schöne Sachen zu finden, abseits von der Billigmassenware. Außerdem ist der Kauf von Secondhandware auch ökologisch sinnvoll. Viele Kindersachen sind ja kaum gebraucht und können gut weitergegeben werden.“
Trotz der kaum überschaubaren Fülle an T-Shirts, Kleidern, Schuhen, Playmobile kann es aber auch zu Diskussionen über einzelne erspähte Fundstücke kommen, wie um den himmelblauen Kinder-Body an einem Stand ganz am Rand des Flohmarkts. Beinahe filmreif debattieren zwei Mütter darüber, wer sich nun zuerst für das Kleidungsstück interessiert hätte. Nach einigen Stunden shoppen, scheinen die Nerven allmählich blank zu liegen.
Die Standbesitzerin quittiert die Szene mit einem Lächeln, wohl gespannt, wem sie den Body gleich verkaufen darf. Am Ende gibt eine der beiden Mütter nach, die andere zückt kopfschüttelnd und mit geröteten Wangen den Geldbeutel.
Ein wenig später und beinahe auf der anderen Seite des Stadions kann man eine ähnlich tragische Szene beobachten. Ein kleiner Bub entdeckt auf dem Boden unter einem Stand mit Spielwaren und Kinderbüchern einen kleinen Stoffhund. Er zeigt auf ihn und zerrt an der Hand der Mutter. Sie glaubt zu verstehen. Fragt die Frau hinter dem Stand, wie viel der denn kosten soll. Zwei Euro. Die Mutter des Jungen zuckt mit den Schultern und zückt den Geldbeutel. Da macht die Verkäuferin einen großen Fehler. Sie fragt den Jungen, ob ihm der Hund gut gefalle. Der aber schüttelt plötzlich energisch den Kopf und ruft: „Echten Hund!“– Der Deal der Frauen ist geplatzt.
Seit über 30 Jahren wird der Kinderflohmarkt veranstaltet. Früher, so die Organisatorin Angela Dömling, seien hier noch mehr Kinder als Eltern hinter den Verkaufsständen gestanden. „Das ist doch eine allgemeine Entwicklung. Heute trauen die Eltern ihren Kindern oft nicht mehr so viel zu.“In den ersten Jahren des Kinderflohmarkts waren es vor allem die Kinder selbst, die durch die Verkäufe ein wenig ihr Taschengeld aufbesserten. Weil sich das inzwischen gewandelt hat, finden Kinder am Rand des Flohmarkts, die schon müde vom vielen Herumlaufen und Feilschen geworden sind, ein großes Freizeit- und Erholungsprogramm: vom Spielmobil, über Bastelkurse bis hin zu einer mehrsprachigen Vorlesestunde.