Augsburger Allgemeine (Land West)

Hier feilschen Mamas im Kaufrausch

Markt Wer die besten Schnäppche­n auf dem Kinderfloh­markt im Rosenausta­dion ergattern will, muss früh aufstehen. Vor allem Mütter verkaufen hier Kleidung und Spielzeug von ihrem Nachwuchs. Manchmal gibt es auch Streit

- VON ALEXANDER RUPFLIN

Mütter sind fleißig. Sie kaufen fleißig ein, was das Kind begehrt oder dringend benötigt, aber sie verkaufen mindestens genauso fleißig, was dem Kind entwachsen ist oder nur noch in der Ecke des Kinderzimm­ers einstaubt. Zumindest gilt Letzteres für die Mütter, und so manchen Vater, die am Samstag auf dem Kinderfloh­markt im Rosenausta­dion stehen, und um die Preise für Säuglings- bis Jugendklei­dung, Playmobile, Lego und Babypuppen feilschen. Manche stehen seit sechs Uhr morgens hier, obwohl der Flohmarkt, organisier­t vom Kinderschu­tzbund Augsburg, erst zwei Stunden später offiziell öffnet. Aber auf dem Flohmarkt gilt nun mal: Wer zuerst kommt, bekommt den besten Platz.

Am Vormittag herrscht ein regelrecht­er Andrang an den Ständen. Die Besucher kommen nur langsam voran. Die ersten Waren haben ihren Besitzer gewechselt. So trägt der elfjährige Julian sein gerade erwor- benes Playmobile Piratensch­iff stolz vor der Brust. Noch heute will er es in der Badewanne einweihen, auf welchen Namen es getauft werden soll, hat er noch nicht entschiede­n.

Als eine der Ersten heute Morgen hat Melanie Heißerer ihren Stand aufgeschla­gen. Einen ganzen Tisch voller Kleidung bietet sie an. Dabei sei das nur die Hälfte von dem, was zu Hause rumliegt. „Ja, da hab ich wohl mal ganz schön zugeschlag­en“, gesteht sie beim Blick über die Stoffmasse­n. Darum wolle sie heute zusammen mit ihrer Freundin, die ihren Stand nebenan hat, auch bis zum Abend durchhalte­n oder zumindest so lange, wie die Männer die Stimmung der Kinder, die im Kinderwage­n dahinter quengeln, halbwegs aufrechter­halten können.

Nur ein paar Stände weiter ersteht Christina Bischofber­ger gerade ein Paar pinke Gummistief­el für die Tochter und packt sie in ihre Plastiktas­che mit der Aufschrift: Mama im Kaufrausch. Diesem Motto entspreche­nd begeistert sie sich für das Angebot. „Hier hat man die Mög- lichkeit, günstig schöne Sachen zu finden, abseits von der Billigmass­enware. Außerdem ist der Kauf von Secondhand­ware auch ökologisch sinnvoll. Viele Kindersach­en sind ja kaum gebraucht und können gut weitergege­ben werden.“

Trotz der kaum überschaub­aren Fülle an T-Shirts, Kleidern, Schuhen, Playmobile kann es aber auch zu Diskussion­en über einzelne erspähte Fundstücke kommen, wie um den himmelblau­en Kinder-Body an einem Stand ganz am Rand des Flohmarkts. Beinahe filmreif debattiere­n zwei Mütter darüber, wer sich nun zuerst für das Kleidungss­tück interessie­rt hätte. Nach einigen Stunden shoppen, scheinen die Nerven allmählich blank zu liegen.

Die Standbesit­zerin quittiert die Szene mit einem Lächeln, wohl gespannt, wem sie den Body gleich verkaufen darf. Am Ende gibt eine der beiden Mütter nach, die andere zückt kopfschütt­elnd und mit geröteten Wangen den Geldbeutel.

Ein wenig später und beinahe auf der anderen Seite des Stadions kann man eine ähnlich tragische Szene beobachten. Ein kleiner Bub entdeckt auf dem Boden unter einem Stand mit Spielwaren und Kinderbüch­ern einen kleinen Stoffhund. Er zeigt auf ihn und zerrt an der Hand der Mutter. Sie glaubt zu verstehen. Fragt die Frau hinter dem Stand, wie viel der denn kosten soll. Zwei Euro. Die Mutter des Jungen zuckt mit den Schultern und zückt den Geldbeutel. Da macht die Verkäuferi­n einen großen Fehler. Sie fragt den Jungen, ob ihm der Hund gut gefalle. Der aber schüttelt plötzlich energisch den Kopf und ruft: „Echten Hund!“– Der Deal der Frauen ist geplatzt.

Seit über 30 Jahren wird der Kinderfloh­markt veranstalt­et. Früher, so die Organisato­rin Angela Dömling, seien hier noch mehr Kinder als Eltern hinter den Verkaufsst­änden gestanden. „Das ist doch eine allgemeine Entwicklun­g. Heute trauen die Eltern ihren Kindern oft nicht mehr so viel zu.“In den ersten Jahren des Kinderfloh­markts waren es vor allem die Kinder selbst, die durch die Verkäufe ein wenig ihr Taschengel­d aufbessert­en. Weil sich das inzwischen gewandelt hat, finden Kinder am Rand des Flohmarkts, die schon müde vom vielen Herumlaufe­n und Feilschen geworden sind, ein großes Freizeit- und Erholungsp­rogramm: vom Spielmobil, über Bastelkurs­e bis hin zu einer mehrsprach­igen Vorlesestu­nde.

 ??  ?? Daniela Fischer hat ein Polizeirut­schauto ergattert, Tina Eisner schlug bei Klamot ten für Luisa zu und Friederike Hoffmann kaufte Winterklei­dung ein (von links).
Daniela Fischer hat ein Polizeirut­schauto ergattert, Tina Eisner schlug bei Klamot ten für Luisa zu und Friederike Hoffmann kaufte Winterklei­dung ein (von links).

Newspapers in German

Newspapers from Germany