Augsburger Allgemeine (Land West)

Krawall in der Idylle

Randale Nach den Attacken auf Polizisten und mehreren sexuellen Übergriffe­n wird das Städtchen Schorndorf plötzlich in einem Atemzug mit Köln oder Hamburg genannt. Zu Recht? Ein Ortsbesuch

- VON ULRIKE BÄUERLEIN

Schorndorf

Montagnach­mittag, Marktplatz Schorndorf. Auf der zentralen Bühne direkt vor dem Rathaus mitten in der pittoreske­n Fachwerk-Altstadt von Schorndorf gestalten die Kindergrup­pen der örtlichen Vereine das Programm. Das Wetter meint es gut in diesem Jahr mit der „SchoWo“, der Schorndorf­er Woche, wie das fünftägige Stadtfest in der knapp 40000-Einwohner-Stadt im RemsMurr-Kreis heißt, rund eine halbe Autostunde östlich von Stuttgart. Zehntausen­de Besucher zieht die SchoWo jedes Jahr an, die sich abends durch die engen Gassen der Altstadt zu den Bühnen drängen, vorbei an Buden und Getränkest­änden. An diesen Tagen herrscht in der Stadt Ausnahmezu­stand.

„Das ist ein Wahnsinn“, sagt Matthias Klopfer am Nachmittag. Der Schorndorf­er Oberbürger­meister meint aber nicht das Stadtfest, sondern einen Ausnahmezu­stand ganz anderer Art, der an diesem Montag über Schorndorf hereingebr­ochen ist. Das Städtchen ist über Nacht in die nationalen Schlagzeil­en geraten und wird in einer Reihe mit den Übergriffe­n von Köln und den Ausschreit­ungen von Hamburg genannt. Die Stadt ist voll von Kamerateam­s und Journalist­en. Klopfer musste am Morgen mit dem zuständige­n Polizeiprä­sidenten Roland Eisele eine Pressekonf­erenz geben und seitdem im Minutentak­t Presseanfr­agen beantworte­n.

Der Grund: Eine gewalttäti­ge Auseinande­rsetzung von zwei rivalisier­enden Gruppen beim Schlosspar­k am Rande des Stadtfests war in der Nacht zum Sonntag außer Kontrolle geraten und richtete sich am Ende gegen die Polizei, die Verstärkun­g anfordern musste und Angriffen ausgesetzt war. Es gab Körperverl­etzungen der Beteiligte­n untereinan­der und Flaschenwü­rfe gegen die Polizei, zudem „eine Aggression gegen Beamte in bislang hier nicht gekanntem Ausmaß“, wie Eisele berichtet. Zudem waren am Vorabend im Gedränge am Bahnhofsvo­rplatz und am Marktplatz zwei Fälle von sexuellen Übergriffe­n angezeigt worden, einmal wurden drei afghanisch­e Migranten, einmal ein irakischer Staatsange­höriger als Täter ausgemacht. Die Polizei ermittelt.

In den sozialen Medien machten daraufhin umgehend Gerüchte die Runde, bei den Randaliere­rn habe es sich vorwiegend um Migranten gehandelt, zudem seien in der Nacht marodieren­de, zum Teil mit Schrecksch­usswaffen ausgestatt­ete Gruppen durch den Ort gezogen – beides hat die Polizei gestern aller- dings nicht bestätigt. „Die Übergriffe erfolgten durch Einzelne aus einer Gruppe von etwa 1000 Personen heraus“, sagt Polizeiprä­sident Eisele, „über die Zahl von beteiligte­n Personen mit Migrations­hintergrun­d gebe ich keine Spekulatio­nen ab.“Die Aggression sei eindeutig auch durch Alkoholkon­sum ausgelöst gewesen, so Eisele, der die gegen die Beamten gerichtete Gewalt aus der anonymen Masse heraus als „unerträgli­ch“bezeichnet­e. „Darüber müssen wir uns als Gesellscha­ft Gedanken machen“, sagte er.

Der Schock vor Ort am Tag danach über die Ereignisse war groß. In keiner Weise, versichern Veranstalt­er, Oberbürger­meister und Polizeiche­f, habe man mit einer derart aggressive­n Auseinande­rsetzung im

 ?? Foto: Christoph Schmidt, dpa ?? Schwäbisch­e Idylle in Schorndorf. Am Rande des dortigen Volksfeste­s kam es in der Nacht zum Sonntag zu Ausschreit­ungen. Die Polizei wurde massiv attackiert.
Foto: Christoph Schmidt, dpa Schwäbisch­e Idylle in Schorndorf. Am Rande des dortigen Volksfeste­s kam es in der Nacht zum Sonntag zu Ausschreit­ungen. Die Polizei wurde massiv attackiert.

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