Augsburger Allgemeine (Land West)
Kreistag sagt zu neuen AVV Preisen „Ja, aber“
Nahverkehr Gegen zwölf Stimmen wird der Tarifreform zugestimmt. Während Kritiker in ihr einen Irrweg sehen, sprechen die Befürworter von einem Schritt in die richtige Richtung – und hoffen auf Nachbesserungen
Landkreis Augsburg
Gegen zwölf Stimmen hat der 70-köpfige Kreistag gestern der Tarifreform für den Augsburger Verkehrsverbund AVV zugestimmt. Sie soll zum 1. Januar in Kraft treten und verspricht ein übersichtlicheres Preissystem, das vor allem für Abokunden günstiger wird. Gelegenheitsfahrer, die Einzeloder Zeittickets kaufen, zahlen dagegen drauf. Umstritten ist auch die Abschaffung des Senioren-Abos.
Bereits jetzt gibt es zahlreiche Änderungswünsche für das neue Tarifsystem, das in zwei Jahren auf den Prüfstand kommen soll. So liegen aus den einzelnen Städten und Gemeinden mehr als 30 Anträge auf Änderung der Grenzen für die Tarifzonen vor, nach denen sich der Fahrpreis bemisst. Ebenfalls auf dem Wunschzettel der Politik steht eine flexible Monatskarte, deren Gültigkeit nicht an den Kalendermonat gebunden ist. Die entscheidende Frage bei der Überprüfung der Reform soll aber sein: Sorgt sie für mehr Kundschaft in Bus, Bahn und Tram?
Die Befürworter lobten den in den vergangenen zwei Jahren ausgehandelten Tarif gestern als Kompromiss, der vor allem AVV-Kun- den aus dem ländlichen Raum eine spürbare Verbesserung bringe, weil dort die Abopreise deutlich sinken. Gleichzeitig machten CSU, Freie Wähler und Grüne deutlich, dass die Interessen des Landkreises innerhalb des Verbundes, in dem außerdem die Kreise Aichach–Friedberg und Dillingen, die Stadt Augsburg sowie deren Stadtwerke und zwei Eisenbahnunternehmen (Bahn und BRB) mitreden, nur begrenzt durchsetzbar seien. „Wir haben Partner,“sagte CSU-Fraktionschef Lorenz Müller, während Joachim Schoner von den Grünen von „sehr harten Verhandlungen“sprach.
Fabian Mehring (Freie Wähler) sah einen „Minimalkonsens“, wegen dem „wir nicht in Jubelstürme ausbrechen“. Mit dem neuen Preissystem sei es nicht getan, warnte Mehring. Es müssten weitere Verberbesserungen folgen – etwa bei der Zoneneinteilung in Königsbrunn. Mit Blick auf Fahrgastzahlen und Defizit sagte der FW-Fraktionschef: „Wir betreiben einen ÖPNV, der immer mehr kostet und den immer weniger nutzen.“
Auch diesmal wird die öffentliche Hand drauflegen, um die Reform ins Rollen zu bringen. Weil die Eisenbahnunternehmen weniger Einnahmen befürchten, erhalten sie pro Jahr bis zu 650 000 Euro zusätzlich, wobei dieser „Risikoausgleich“innerhalb von sechs Jahren abgeschmolzen werden soll. Auf weitere 400000 Euro pro Jahr werden Einnahmeverluste geschätzt, weil Haltestellen in Neusäß, Stadtbergen und Gersthofen auf Zonengrenzen verlegt werden, damit die Preise für Fahrten innerhalb der Orte nach der Reform nicht durch die Decke gehen.
2015 lag das Defizit des AVV bereits bei 14,6 Millionen Euro. An Fahrgeldern wurden 2016 über 74 Millionen Euro eingenommen. Zu den umsatzstärksten Ticketarten zählten Einzelfahrscheine, Streifenkarten und Monatskarten – bei allen dreien zogen die Preise jetzt im Juni an oder werden das im Januar tun.
Gabriele Olbrich-Krakowitzer (ÖDP/FDP) glaubt nicht, dass das neue Modell bei der Kundschaft ankommt. „Wir werden Kunden verlieren.“Das befürchten auch die Mitglieder der SPD-Fraktion, welche die Reform ablehnen. Fraktionschef Harald Güller bemängelte die steigenden Einzelfahrpreise und das Aus für das Senioren-Abo. Obwohl es Verbesserungen gebe, lautet sein Urteil: „Es wäre deutlich mehr drin gewesen.“
Verhandlungen waren offenbar schwierig