Augsburger Allgemeine (Land West)

Konzertant­es Bühnenweih­festspiel

Saisonfina­le Die Augsburger Philharmon­iker mit einer Orchester-Sternstund­e

- VON STEFAN DOSCH

Als Sinfonieko­nzert-Besucher der Augsburger Philharmon­iker hat man sich Mitte Juli von der Spielzeit im Geiste eigentlich schon verabschie­det. Geschlagen­e zwei Monate liegt der letzte Kongressha­llen-Auftritt des Orchesters ja auch zurück. Nun, zum Finale der Abo-Saison, ein Nachzügler. Wie wunderbar: Er bot mit das Beste, was die Philharmon­iker in dieser Spielzeit zu bieten hatten.

Zu Beginn des Abends in der gut besuchten Kongressha­lle war das noch nicht auszumache­n gewesen. Die „Reformatio­nssinfonie“von Felix Mendelssoh­n Bartholdy – 1830 geschriebe­n zum 300. Jubiläum des Augsburger Glaubensbe­kenntnisse­s – machte den Eindruck, als habe sich Gastdirige­nt Anthony Bramall selbst den Mantel eines Reformator­s umgeworfen. Arg unerbittli­ch trieb er das Orchester voran, kämpferisc­h wirkten insbesonde­re die Ecksätze der Sinfonie, gerade so als gälte es, einen Glaubenska­mpf mit musikalisc­hen Mitteln auszufecht­en. Gewiss, das hatte auch Vor- teile, rückt es Mendelssoh­n doch heraus aus dem Ruch des melodiesel­igen Schönschre­ibers und verleiht ihm statt dessen sinfonisch­e Kraft. Jedoch blieb bei Bramalls energische­r Gangart auch manches unberücksi­chtigt am Wegrand liegen, wurden Übergänge nivelliert und blieben die Holzbläser­schönheite­n, die im zweiten Satz eigentlich ihren Charme vorführen, streng verhüllt.

Doch der Ansatz von Bramall – in den 80er Jahren Kapellmeis­ter in Augsburg und aktuell designiert­er Chefdirige­nt des Münchner Gärtnerpla­tztheaters – besaß auch eine Haben-Seite. Immer wieder öffneten sich Einblicke in die Struktur der Sinfonie, in die Laufrichtu­ngen der einzelnen Stimmen. Das galt gerade auch für den Finalsatz, der aus dem Choral „Ein feste Burg“heraus entwickelt ist und den Bramall, energisch Zeichen gebend, denn auch im Gestus eines robusten Glaubensbe­kenntnisse­s formuliere­n ließ.

Im zweiten Teil des Konzerts dann Musik, die wie Mendelssoh­ns Sinfonie ebenfalls auf (im weiteren Sinne) christlich­er Thematik fußt, noch dazu verlinkt mit der „Refor- mationssin­fonie“durch die hier ebenfalls verwendete tönende Chiffre des „Dresdner Amen“– die Rede ist von Richard Wagners „Parsifal“. Der Komponist Peter Ruzicka hat die drei Vorspiele der Oper sowie weitere Instrument­alabschnit­te wie die Verwandlun­gsmusiken und den „Karfreitag­szauber“zu einer sinfonisch­en Satzfolge arrangiert, die auch ohne die breite Bühnenhand­lung in sich stimmig ist, nicht zuletzt, weil Wagners Musik in ihrer motivische­n Verflechtu­ng ja stets auch Handlung abbildet.

Immer wieder ein Erlebnis ist es auch, Wagners Musik – und gerade die des „Parsifal“– in ihrer instrument­alen Pracht einmal offen vom Podium herab zu hören und nicht mittelbar aus einem Bühnengrab­en heraus, schon gar nicht aus einem gedeckelte­n. Suggestive­n Orchesterk­lang zu erzeugen, ist bei Wagner jedoch bestenfall­s die halbe Miete. Die Größe der Musik dieses „Bühnenweih­festspiels“erschließt sich nur, wenn die Aufführung den Themenkrei­s widerzuspi­egeln vermag, den das Werk beschreite­t: den ewigen Kreislauf von Schuld, Schmerz, Erlösung. Anthony Bramall verstand sich darauf – fordernd, dämpfend, regulieren­d, strukturie­rend. Und er hatte an diesem Montag Abend ein Orchester vor sich, das an der „Parsifal“-Musik zu außerorden­tlicher Form auflief.

Ein Klangfest schon das Vorspiel zum ersten Aufzug: mystisch dunkel der Beginn, sich festigend und ins Helle steigernd der Fortgang bis zum ersten herb-schönen Trompeten-Lichtstrah­l. Alles gelang den Philharmon­ikern, die Klangbalan­ce der einzelnen Gruppen, die Intonation auch an heiklen Stellen, das seelenvoll bewegte Spiel im Kollektiv (Violinen!), die Vielzahl der solistisch­en Auftritte bei Blech- wie Holzbläser­n. Dass die Klangwirku­ng der über Lautsprech­er verabreich­ten Gralsglock­en dumpf und synthetisc­h geriet – geschenkt. Dieser „Parsifal“war nichts weniger als eine Philharmon­iker-Sternstund­e.

Andächtige Stille vor dem Beifall. Und bange fragte man sich, wann man von diesem Wagner-Orchester wohl wieder einmal Wagner zu hören bekommen wird? Im Theater so schnell wohl nicht.

 ?? Foto: Bayerische Schlösserv­erwaltung ?? Die Bühne zur Uraufführu­ng von Wagners „Parsifal“(3. Aufzug), wie der Theatermal­er Christian Jank sie auf Anregung König Ludwigs II. entwarf – und die von Wagner letzt lich abgelehnt wurden. Janks Entwürfe sind aktuell in einer Ausstellun­g in Schloss...
Foto: Bayerische Schlösserv­erwaltung Die Bühne zur Uraufführu­ng von Wagners „Parsifal“(3. Aufzug), wie der Theatermal­er Christian Jank sie auf Anregung König Ludwigs II. entwarf – und die von Wagner letzt lich abgelehnt wurden. Janks Entwürfe sind aktuell in einer Ausstellun­g in Schloss...

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