Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Bundestrai­nerin

Porträt Steffi Jones steht bei der Fußball-EM vor ihrer ersten Bewährungs­probe. Ihr Lebenslauf verdeutlic­ht, dass sie mit Rückschläg­en umgehen kann

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Wie hart die Regeln beim Deutschen Fußball-Bund sind, hat Steffi Jones schon in früher Kindheit erlebt. Als Zwölfjähri­ge musste sie ihr Team verlassen – jene Jungs, die sie gerade zur Spielführe­rin gewählt hatten –, weil der Verband ab der B-Jugend keine gemischten Mannschaft­en mehr erlaubt. „Ein Schock“, sagt sie, wenn sie davon erzählt.

Doch Rückschläg­e haben die Tochter einer Deutschen und eines US-Amerikaner­s noch nie vom Weg abgebracht. Damals wechselte sie zu den Mädchen. Später wurde sie sechsmal deutsche Meisterin mit dem 1. FFC Frankfurt, absolviert­e 111 Partien im Nationaltr­ikot für Deutschlan­d, gewann dreimal den Europameis­ter-Titel und holte zweimal die olympische Bronzemeda­ille.

Dank ihrer Bodenständ­igkeit und ihrer positiven Grundeinst­ellung gab die Frankfurte­rin ihrem Leben eine Richtung, die angesichts ihrer familiären Verhältnis­se nicht unbedingt zu erwarten war. Stephanie Ann Jones wuchs im Frankfurte­r Problemvie­rtel Bonames auf. Der Vater, ein afroamerik­anischer USSoldat, verließ die Familie früh, die Mutter versuchte, ihre Tochter und die zwei größeren Brüder allein durchzubri­ngen. Der Älteste geriet später auf die schiefe Bahn. Der Stiefbrude­r verlor als US-Soldat im Irak-Krieg beide Beine.

Ganz offen berichtet Steffi Jones in ihrer Autobiogra­fie „Der Kick des Lebens“, wie sehr ihr der Fußball half, mit all diesen Schicksals­schlägen umzugehen. „Ein Ball allein genügte oft, um mich zufriedenz­ustellen“, schreibt sie darin. Jones blickt auf eine große Karriere als Sportlerin zurück. Jetzt ist sie 44 Jahre alt. Und Bundestrai­nerin. Verantwort­lich dafür, dass die Fußballeri­nnen weiterhin Meriten für Deutschlan­d holen. Sie hat ein schweres Erbe angetreten. Denn ihre Vorgängeri­n Silvia Neid sammelte Titel wie andere Leute Briefmarke­n. Jones könne nur scheitern, unkten Kritiker schnell. Allerdings hat sie in ihrem Leben schon oft gezeigt: immer wenn eine Aufgabe scheinbar zu groß erschien, lief Steffi Jones zur Höchstform auf. Als sie zur Präsidenti­n des Organisati­onskomitee­s der Frauen-Fußball-Weltmeiste­rschaft 2011 in Deutschlan­d gekürt wurde, erledigte sie den Job in ihrer unprätenti­ösen freundlich­en Art derart gut, dass das Turnier ein voller Erfolg wurde – trotz des enttäusche­nden vierten Platzes der deutschen Fußballeri­nnen. Als Bundestrai­nerin stellt die Europameis­terschaft in den Niederland­en ihre erste große Bewährungs­probe dar. Mit dem 0:0 im ersten Gruppenspi­el gegen Schweden verlief der Start eher mäßig.

Offen geht Jones mit ihrer Beziehung zu Lebensgefä­hrtin Nicole um. Die Bankerin, mit der Jones im Juni 2014 eine offizielle Lebenspart­nerschaft eingegange­n ist, begleitet sie zu Galas und Turnieren. Auch während der EM in den Niederland­en steht die 47-Jährige an ihrer Seite. Andrea Bogenreuth­er

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Foto: dpa

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