Augsburger Allgemeine (Land West)

Entlastung genug

Urteil Warum die obersten Sozialrich­ter die Hoffnung vieler Eltern mit Kindern enttäusche­n

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Kassel

Die Fragen an die Richter lauteten: Müssten Eltern wegen der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder finanziell mehr entlastet werden? Haben sie einen Anspruch auf niedrigere Beiträge zu Rentenund Krankenver­sicherung? Werden sie gegenüber Kinderlose­n benachteil­igt? Das Bundessozi­algericht in Kassel musste die Kläger enttäusche­n. In einem am Donnerstag verkündete­n Urteil erklärten die Richter, dass sich eine Beitragsen­tlastung aus dem Grundgeset­z ebenso wenig ableiten lasse wie ein kompletter Ausgleich aller familiären Lasten.

Die klagenden Eltern wollten die Erziehungs­zeiten für ihre drei Kinder mehr berücksich­tigt wissen, indem sie nur noch die Hälfte der Sozialbeit­räge zahlen. Hilfsweise wollten sie einen Betrag in Höhe von 833 Euro pro Monat und Kind von den fälligen Sozialbeit­rägen abziehen.

Der Vater, der als Gemeindere­ferent beim Erzbistum Freiburg beschäftig­t ist, und seine in einem katholisch­en Krankenhau­s tätige Ehefrau gaben an, dass sie als Familie in dem derzeitige­n Sozialvers­icherungss­ystem gegenüber Kinderlose­n stark benachteil­igt würden. Die Erziehung und Betreuung der Kinder führe letztlich zu Brüchen in der Erwerbsbio­grafie.

Man müsse bei seiner Erwerbstät­igkeit wegen der Erziehung zurückstec­ken, was wiederum zu geringeren Renten führe. Das Rentensyst­em sei so angelegt, dass die gezahlten Beiträge zählten. Dabei hätten sie auch einen „generative­n Beitrag“geleistet, indem sie Kinder in die Welt gesetzt haben. Anwalt Ernst Jürgen Borchert sagte, von dem Beitragssy­stem würden kinderlose, reiche und alte Versichert­e profitiere­n.

Doch das Bundessozi­algericht urteilte, dass die Eltern keinen Anspruch auf Familienen­tlastung haben, indem sie geringere Sozialbeit­räge zahlen. „Nicht jede Belastung von Familien muss vermieden werden“, sagte Gerichtspr­äsident Rainer Schlegel. Allerdings würden Eltern neben einen monetären auch einen generative­n Beitrag leisten, indem sie Kinder und damit künftige Beitragsza­hler in die Welt setzen: „Versichert­e mit Kindern leisten mehr als Kinderlose.“

Allerdings würden Eltern – anders als Kinderlose – bereits ausreichen­d vom Familienle­istungsaus­gleich profitiere­n, so Schlegel. Dieser umfasse beispielsw­eise das Elternund Kindergeld oder Steuerfrei­beträge für den geleistete­n Erziehungs­aufwand. Einen Anspruch auf direkte Reduzierun­g der Sozialvers­icherungsb­eiträge gebe es nicht.

Die Kläger wollen Beschwerde beim Bundesverf­assungsger­icht einlegen. Dort sind bereits ähnliche Verfahren anhängig.

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