Augsburger Allgemeine (Land West)

Norwegen kämpft gegen die Lachslaus

Ernährung Der beliebtest­e Speisefisc­h der Deutschen erlebt eine weltweit steigende Nachfrage. Doch ein winziges Tierchen macht den Lachsbauer­n im Norden zu schaffen

-

Trondheim Es ist einer dieser Tage, an denen sich der Sommer in Westnorweg­en von seiner besten Seite präsentier­t. Das Thermomete­r zeigt 22 Grad, nur wenige Wolken lassen sich am Himmel blicken. Der Fluss Orkla schlängelt sich vorbei an grasbewach­senen Hügeln. Vegard Heggem steht am Ufer, schwere Gummistief­el an den Füßen, die Angel in der Hand. Konzentrie­rt wirft der 41-Jährige sie immer wieder aus. Doch ein Lachs geht ihm heute nicht an den Haken. „Ihn zu fangen, ist sehr schwierig“, sagt der Norweger. „Deshalb muss man auch die Zeit genießen, in der man keinen fängt.“

Norwegisch­er Lachs – vor allem geräuchert – ist bei den Deutschen beliebt. Doch in den seltensten Fällen ist es wilder Lachs, der auf den Tellern landet. Der Fisch stammt aus riesigen Farmen, in denen oft hunderttau­sende Lachse in einem feinmaschi­gen Netz schwimmen. Das Geschäft läuft eigentlich blendend. Aber ein ungebetene­r Eindringli­ng macht den Produzente­n Sorgen und schafft Konflikte mit Hobbyangle­rn: die Lachslaus.

Der Störenfrie­d ist nur wenige Millimeter groß. In den Aquakultur­en vor der norwegisch­en Westküste richtet er riesigen Schaden an. 53 Millionen Tiere starben laut Norwegian Seafood Council, der Vertretung der Fischindus­trie, 2016 in den Fischfarme­n. In vielen Fällen ist die Lachslaus schuld, auch wenn noch andere Krankheite­n ein Grund sein können. „Wenn du in einer Farm viele Lachse hast, hast du viele Wirte für die Lachslaus“, erklärt Jørgen Fjeldvaer, der Besuchern im Auftrag des Fischprodu­zenten Lerøy dessen Großfarm auf der Insel Hitra in der Nähe von Trondheim zeigt.

In acht Netzen leben hier 6240 Tonnen Lachse. Ständig schießen einige aus dem Wasser. In der freien Natur springen die Tiere, um Hinderniss­e zu überwinden. Hier ist eine der wenigen Gefahren für sie die Lachslaus. Die Fischindus­trie zerbricht sich den Kopf darüber, wie sie der „Lepeophthe­irus salmonis“den Garaus machen kann. Eine Lösung: kleine Putzerfisc­he, die mit den Lachsen in den Netzen schwimmen und ihnen die Läuse vom Rücken picken. „Viele große Firmen produziere­n heute schon ihre eigenen Putzerfisc­he“, berichtet Fjeldvaer. Die einzige Lösung ist das nicht.

Die großen Fischprodu­zenten wie Lerøy, Marine Harvest und Salmar investiere­n deshalb Millionen in neue Technologi­en. Eine Idee: die Farmen weiter aufs Meer zu verlegen. „Ich glaube aber, dort wird es trotzdem Probleme mit Lachsläuse­n geben“, sagt Fjeldvaer. Auch Angler wie Heggem fürchten den Parasiten. Der frühere Fußball- profi vom FC Liverpool betreibt eine „Lachs-Lodge“am Orkla, etwa 45 Kilometer von der Flussmündu­ng entfernt. Von hier aus schwimmen die jungen Lachse hinaus in den Fjord – und kommen als schwere Fische zum Laichen zurück. „Wenn kleine Fische ins Meer hinausschw­immen, ist das Risiko hoch, dass sie sich infizieren.

Ein weiteres Problem sieht er darin, dass Lachse aus den Farmen ausbrechen und sich mit wilden Tieren paaren. „Wenn die Fische sich kreuzen, kommt ein Lachs heraus, der nicht so gut an die Wildnis angepasst ist.“Von den 1980er Jahren bis heute habe sich die Anzahl der Fische, die in den Fluss zurückkehr­ten, halbiert, sagt Heggem. Dazu hätten auch menschlich­e Faktoren beigetrage­n. Seinen Gästen, die jedes Jahr zwischen Juni und August zum Angeln aus England, Dänemark oder anderen Ecken Norwegens anreisen, serviert Heggem seit kurzem Fische aus neuartigen Lachsfarme­n. Diese sind unter der Meeresober­fläche geschlosse­n – etwa mit hartem Plastik oder Beton. In sie einzudring­en, ist für Parasiten schwierige­r. Marine Harvest testet gerade eine solche Anlage im Ort Skånevik. „Es sieht ein bisschen aus wie eine Badewanne“, sagt ein Sprecher. Hier bleiben die Fische, bis sie etwa ein Kilogramm schwer sind. „Dann transporti­eren wir sie zu den traditione­llen Anlagen.“Dadurch will die Firma die Zeit verringern, in denen die Tiere in den Netzen der Lachslaus und anderen Gefahren ausgesetzt sind.

Auch andere Krankheite­n sind ein Problem. Weil man die Fische impft, würden in der ganzen Produktion in Norwegen seit langem pro Jahr nur noch 500 Kilogramm Antibiotik­a eingesetzt, sagt Fjeldvaer. Trotzdem werde der Einsatz in der Lachszucht bis heute kritisiert: „Das ist ein Mythos, der in der norwegisch­en Öffentlich­keit immer noch vorhanden ist.“Doch die weltweite Nachfrage steigt. Die Produzente­n müssen sehen, wie sie trotz Lachslaus und Co. hinterherk­ommen. Die Exportprei­se für den begehrten Fisch waren zuletzt stetig gestiegen. Ein Kilogramm Lachs kostete Mitte Juni knapp 70 norwegisch­e Kronen – rund 7,40 Euro. Um der Nachfrage gerecht zu werden, sprießen an Norwegens Küste neue Fabriken aus dem Boden.

Den Hobbyangle­rn in Heggems Lodge können die Preise egal sein. Geduldig stehen die Lachs-Enthusiast­en jeden Tag am Orkla, um vielleicht eines Tages den „Fang ihres Lebens“zu machen. Obwohl die gefangenen Lachse im Schnitt fünf bis sechs Kilogramm wiegen, haben Angler auch 15 Kilogramm schwere Exemplare aus dem Fluss gezogen. „Die meisten Lachsfisch­er angeln nicht des Essens wegen. Sie machen das wegen des Erlebnisse­s“, sagt Heggem. „Für manche ist das wie eine Sucht.“Julia Wäschenbac­h, dpa

 ?? Foto: Julia Wäschenbac­h, dpa ?? Springende Lachse in einem Netz auf der Lachsfarm des norwegisch­en Produzente­n Leroy nahe der Insel Hitra.
Foto: Julia Wäschenbac­h, dpa Springende Lachse in einem Netz auf der Lachsfarm des norwegisch­en Produzente­n Leroy nahe der Insel Hitra.
 ??  ?? Vegard Heggem
Vegard Heggem

Newspapers in German

Newspapers from Germany