Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie Carbon die Region voranbring­t

Projekt In fünf Jahren hat sich die Gegend rund um München/Augsburg/Ingolstadt zu einem Zentrum für die Arbeit mit Kohlenstof­f-Fasern entwickelt. Teile finden Einsatz in Autos, Flugzeugen, Maschinen. Jetzt erhalten die Forscher neues Geld

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg

Das Teil, das Tjark von Reden in den Händen hält, könnte in Zukunft in ein Automobil eingebaut werden. Zum Beispiel in das Elektroaut­o i3 von BMW. Es ist schwarz, länger als ein Arm und hat eine Rippenstru­ktur. Damit erinnert es an den Aufbau früherer Fachwerkhä­user. Im Auto würde es als Querträger über der Windschutz­scheibe sitzen. Das Besondere ist zum einen, dass es nicht aus Stahl oder Aluminium ist, sondern aus Carbon. Die Skelettbau­weise bringt weitere Vorteile, erklärt Tjark von Reden. Das Gewicht sinkt weiter, die Kosten ebenfalls.

Entstanden ist das Bauteil als Studie im Rahmen des Forschungs­programms „MAI Carbon“, das in den letzten fünf Jahren in der Region München/Augsburg/Ingolstadt stattfand und vom Bund mit 40 Millionen Euro gefördert wurde. Tjark von Reden kennt die Ergebnisse des Projektes gut. Er leitet „MAI Carbon“. Die Ergebnisse wurden auf einer Abschluss-Konferenz am Mittwoch und Donnerstag in der Messe in Augsburg präsentier­t.

Carbon gilt als Werkstoff der Zukunft. Dabei werden Kohlenstof­fFasern mit einem Kunststoff umschlosse­n, der später aushärtet. Es entstehen robuste, schwarze Bauteile. Fachleute sprechen von carbonfase­rverstärkt­en Kunststoff­en, kurz CfK. Das Material hat mehrere Vorteile: „Damit kann man sehr leicht bauen“, erklärt Tjark von Reden. Kunststoff hat relativ wenig Gewicht. Zudem ist das Material steif und fest – ein Vorteil im Autobau. Und es rostet nicht.

Die Fahrgastze­lle des BMW i3 ist zum Beispiel aus CfK gefertigt. Auch der Airbus A350 besteht zum großen Teil daraus. Das Problem des Werkstoffs: Lange Jahre war viel Handarbeit nötig.

Das Ziel von „MAI Carbon“war, den Werkstoff für die Serienreif­e fit zu machen. Dafür arbeiteten Forscher und Entwickler aus Universitä­ten und Firmen zusammen, unter anderem Audi, BMW, Airbus, SGL Carbon, Premium Aerotec, die Technische Universitä­t München, die Uni Augsburg und die Industrieu­nd Handelskam­mer Schwaben. In 36 Einzelproj­ekten untersucht­en die Forscher, wie sich Carbon-Teile vollautoma­tisch produziere­n lassen, wie sich Fehler in Bauteilen aufspüren lassen oder wie man die Fasern eines Tages recyceln kann, erklärt Tjark von Reden. Vom Erfolg sind die Teilnehmer überzeugt.

Gelungen sei es, die Kosten der Verarbeitu­ng von Carbon deutlich zu senken. Das Material könne nun deutlich schneller verarbeite­t werden. Fast 6000 Arbeitsplä­tze wurden geschaffen, rund tausend Studenten hätten sich auf Carbon spezialisi­ert. Die Forschung rund um das „schwarze Gold“, wie die Fachleute ihren Werkstoff gerne nennen, „wird den Standort und die Unternehme­n langfristi­g voranbring­en“, sagt Tjark von Reden. Ähnlich sieht es Lars Herbeck von Voith Composites aus Garching. „Wir haben die Entwicklun­g um zehn Jahre vorangetri­eben.“Fachleute aus Amerika, Korea, Australien und China kämen hierher, um zu lernen. „München/ Augsburg/Ingolstadt ist die Spitzenreg­ion für CfK weltweit“, sagt Herbeck. Auch Professor Klaus Drechsler, Leiter der Fraunhofer-Projektgru­ppe Leichtbau in Augsburg und Vorstandsc­hef von „MAI Carbon“, zeigt sich von der Zukunft der Technologi­e überzeugt: „Es wird in Zukunft kein Flugzeug ohne CfK mehr abheben“, sagt er zum Beispiel.

Warum aber fahren dann auf den Straßen bis auf Ausnahmen wie den BMW i3 nur wenige Autos aus Carbon? Zum einen komme es darauf an, „das richtige Material an der richtigen Stelle“zu verwenden, sagen Fachleute wie Tjark von Reden oder Andreas Erber von der SGL Group. Das heißt, dass nicht ganze Autos aus Carbon sein müssen, aber wichtige Teile davon. Der BMW 7er besitzt zum Beispiel viele Teile aus dem Werkstoff. Dazu kommt, dass es einige Zeit braucht, bis die Forschungs­ergebnisse in Produkte einfließen. Interessan­t wird das Thema also für Fahrzeuge, die in fünf Jahren auf den Markt kommen, sagen die Fachleute.

Und die Entwicklun­g ist nicht am Ende. „Es ist noch viel zu tun“, gibt Lars Herbeck von Voith Composites zu. Zum Beispiel gehe es darum, die Kosten weiter zu senken. Die Technologi­e ist noch immer relativ teuer. In der Arbeit nicht nachzulass­en, ist wichtig, da auch China und Südkorea massiv in die Technologi­e investiert­en, betont MAI-Carbon-Vorstandsc­hef Drechsler.

Auch deshalb soll es nach fünf Jahren nicht einfach vorbei sein mit der Forschung. Der Freistaat Bayern fördert das Anschlussp­rojekt „Campus Carbon 4.0“mit 15 Millionen Euro. Auch „MAI Carbon“wird es weiterhin geben. Der Freistaat stellt für das Team im Technologi­ezentrum Augsburg in den nächsten zwei Jahren 550000 Euro bereit.

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Foto: Michael Kerler MAI Carbon Leiter Tjark von Reden mit einem neuartigen Carbon Teil in Skelett bauweise.

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