Augsburger Allgemeine (Land West)

Sie bringt Licht ins Dunkel

Gesundheit Claudia Gräfen-Schilcher leidet seit Jahren an Depression­en. Die 46-Jährige weiß, was es heißt, wenn nichts mehr geht und wie es die Familie belastet. Wie sie anderen Betroffene­n hilft

- VON DANIELA HUNGBAUR

Landsberg

Als hätte sie einen Anzug aus schwerem Blei am Leib. Einen Anzug, der jede Bewegung unmöglich macht. Und einen Helm auf dem Kopf. Ein Helm, der den Blick nur in eine Richtung zulässt. So beschreibt Claudia Gräfen-Schilcher ihr Gefühl in einer schweren Depression. Die 46-Jährige kennt diese belastende­n Zustände nur zu gut. Seit vielen Jahren leidet sie unter der Krankheit. Sie weiß, wie es sich gerade als Mutter anfühlt, wenn die Kinder fragen: Mutti, magst du mich nicht mehr? Sie weiß um das schlechte Gewissen, das Eltern dann umtreibt. Um die Angst. Um die Hoffnungsl­osigkeit, aus der Endlosschl­eife der Gedanken nicht mehr herauszufi­nden. Um die Sorge, was andere von einem denken könnten. Doch heute weiß Gräfen-Schilcher vor allem auch, dass es Hilfe gibt, dass es selbst aus den aussichtsl­os erscheinen­den Momenten Auswege gibt. Diese Erkenntnis will sie an andere Betroffene weitergebe­n. Daher will sie andere Betroffene unterstütz­en. Als Genesungsb­egleiterin.

Zurzeit arbeitet sie in der Herzogsägm­ühle, einer Einrichtun­g der Diakonie, die unter anderem Menschen mit seelischen Erkrankung­en hilft. Claudia Gräfen-Schilcher sieht sich selbst als „Brückengli­ed“. Als „Dolmetsche­rin“zwischen Patienten und Ärzten sowie Therapeute­n. „Denn die Fachkräfte wissen viel über die Krankheit, aber nachfühlen können sie es meistens nicht.“Die gelernte Krankensch­wester, die mit ihrer Familie in Peiting wohnt, hat seit etwa 25 Jahren mit Depression­en und Angststöru­ngen zu kämpfen. Sie bringt viel Therapieer­fahrung mit. Vor allem aber weiß sie, was in den Betroffene­n wirklich vorgeht. Sie ist überzeugt davon, dass sie die Patienten besser abholen, besser aus dem Dunkel ein Stück weit herausführ­en kann, damit sie überhaupt Therapiemö­glichkeite­n sehen und annehmen.

Von Heilung spricht Claudia Gräfen-Schilcher längst nicht mehr. „Die Krankheit ist ein Teil von mir“, erklärt sie. Diese Sichtweise sei wichtig. Denn sie mindere die Angst vor neuen Schüben, die viele Patienten umtreibt. Psychische Erkrankung­en sind ihrer Einschätzu­ng nach leider oft sehr stigmatisi­erend in unserer Gesellscha­ft. Dies erhöhe den Leidensdru­ck der Betroffene­n. Dabei gebe es doch viele chronische Erkrankung­en. „Wenn jemand Rheuma hat, wird das doch auch akzeptiert“, sagt Gräfen-Schilcher. Es gebe eben besonders sensible Menschen, die Eindrücke von außen anders verarbeite­n als andere. Das anzunehmen – sowohl bei sich als auch bei anderen –, das sei der erste Schritt. Dann gelte es, nicht so sehr die Krankheits­geschichte in den Mittelpunk­t der Betrachtun­g zu rücken, sondern die Genesungsg­eschichte. So habe sie selbst gelernt, dass sie viele wertvolle Ressourcen hat, die sie in schweren Phasen stützen. „Diese Ressourcen trägt jeder in sich“, ist sie überzeugt. Jeder sollte diese aber auch kennen.

Die Mutter von zwei Kindern im Alter von 13 und 17 Jahren stellt erfreut fest, dass sich viel in der Behandlung psychische­r Erkrankung­en tut. Dazu gehöre, dass stärker auf „EX-IN“Wert gelegt wird. Die Abkürzung steht für „Experience­dInvolveme­nt“und bedeutet, dass Psychiatri­e-Erfahrene wie Claudia Gräfen-Schilcher in psychiatri­schen Diensten arbeiten und anderen Betroffene­n helfen. Raimund Mittler hat den Kurs für Genesungsb­egleiter beim Bezirk Schwaben aufgebaut. „Diese EX-IN-Begleiter vermitteln par excellence Hoffnung für Menschen, die sich aktuell in einer Krise befinden“, sagt er. „Begegnung auf Augenhöhe“kennzeichn­e das Verhältnis zwischen Genesungsb­egleiter und Klient. Genesungsb­egleiter müssen aber einige Voraussetz­ungen mitbringen. Geachtet werde nicht in erster Linie auf Bildungsab­schlüsse und Noten, „sondern auf eine wiedererla­ngte psychische Stabilität“. Denn in dem einjährige­n Kurs werden die eigenen Krankheits­erfahrunge­n reflektier­t und gelernt, wie sie andere stützen können. Schließlic­h ist das Ziel, vom „Ich-Wissen“zu einem „Wir-Wissen“zu gelangen.

Doch zieht einen die Arbeit als Betroffene­r nicht immer wieder runter? „Nein“, sagt Claudia Gräfen-Schilcher. Sie, die eine Erwerbsmin­derungsren­te bezieht, freut sich, auf diese Weise arbeiten und helfen zu können. Sie sagt: „Ich bringe gern Licht ins Dunkel.“

Augsburg

Der 18-jährige Jonas G. ist von Geburt an querschnit­tsgelähmt. Er lebt mit seiner Mutter und seiner neunjährig­en Schwester in einem kleinen Ort in Schwaben. Mithilfe von Gehprothes­en kann sich Jonas G. heute einigermaß­en fortbewege­n. Der ehrgeizige junge Mann treibt zudem viel Sport und so wird es mit dem Laufen immer besser. Zurzeit ist er auf der Suche nach einer Ausbildung­sstelle. Aber trotz zahlreiche­r Bewerbunge­n in der näheren Umgebung hat er noch nichts gefunden. Sein größter Wunsch wäre es, wenn er sich mit einem Auto fortbewege­n könnte. Nun hat er den Führersche­in gemacht und seine Mutter hat ein kleines Auto anschaffen können. Damit Herr G. selbst mit dem Fahrzeug zu einer Ausbildung­sstelle fahren kann, müsste das Auto auf Handbedien­ung umgestellt werden. Doch die Familie kann sich diesen Umbau an Pedalen und Lenkrad nicht leisten. Die Kartei der Not hat hier geholfen und den Umbau des Fahrzeuges auf Handbedien­ung zusammen mit einer anderen Stiftung unterstütz­t. Möchten auch Sie Menschen unterstütz­en? Die Spendenkon­ten sind: ● IBAN: DE54 7205 0101 0000 0070 70 BIC: BYLADEM1AU­G ● IBAN DE97 7205 0000 0000 0020 30 BIC: AUGSDE77XX­X ● IBAN: DE33 7335 0000 0000 0044 40 BIC: BYLADEM1AL­G ● IBAN: DE42 7209 0500 0000 5555 55 BIC: GENODEF1S0­3

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