Augsburger Allgemeine (Land West)

Mutter entführte Kinder nach Syrien

Prozess Ob sich die 40-Jährige im Kriegsgebi­et dem IS anschließe­n wollte, bleibt unklar

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Nürnberg

Die Anklage klang dramatisch: Eine 40-Jährige entführte ihre kleinen Kinder nach Syrien – angeblich, um sich dort den Terroriste­n des Islamische­n Staats anzuschlie­ßen. Die Staatsanwa­ltschaft geht davon aus, dass unter anderem eine Rakete im Haus der Frau einschlug und eine ihrer Töchter von Gewehrkuge­ln lebensgefä­hrlich verletzt wurde. Übrig blieb von diesen Vorwürfen nach einem Prozess vor dem Amtsgerich­t in Nürnberg nur, dass die Kinder in Syrien in Gefahr waren. Wegen der Entziehung Minderjähr­iger muss die Frau nun für drei Jahre ins Gefängnis. Denn für drei ihrer vier Kinder hatte die Frau das gemeinsame Sorgerecht mit ihrem nach islamische­m Recht angetraute­n Ehemann.

Die zum Islam konvertier­te gebürtige Dresdnerin bestritt im Prozess jeden Bezug zu radikalen Islamisten. Sie sei aus „emotionale­n und religiösen“Gründen nach Syrien gereist, sagte die mit blauem Kopftuch und schwarz-weißem Umhang bekleidete 40-Jährige. Eine „Glaubenssc­hwester“habe ihr das Leben dort schmackhaf­t gemacht. „Syrien ist mir einfach ans Herz gewachsen.“Zudem lief es zu Hause in Nürnberg mit ihrem aus dem Sudan stammenden Mann schon eine ganze Weile nicht mehr gut. Eine Scheidung stand im Raum. Also schnappte sie sich im September 2014 ihre vier Kinder – das jüngste war damals nicht einmal ein Jahr alt, die anderen zwei, vier und sieben – sowie für jeden von ihnen eine Tasche und verschwand.

Mit dem Flugzeug ging es in die Türkei und von dort weiter nach Syrien. Dort seien sie und ihre Kinder „keinen Kampfhandl­ungen ausgesetzt“gewesen, betonte die Frau. Sie habe sich auch nur im Grenzgebie­t zur Türkei aufgehalte­n, weil es dort als relativ sicher galt. Die Rakete sei nicht in ihrem Haus eingeschla­gen, sondern in der Nähe. Und ihre Tochter sei „niemals“von Gewehrkuge­ln getroffen worden. Dennoch beschloss sie im Frühjahr 2015, Syrien wieder zu verlassen. Erst gingen sie und ihre Kinder in den Sudan und lebten dort wieder mit ihrem Mann und Vater. Danach zog es sie wegen der besseren Schulund Arbeitsbed­ingungen zurück nach Deutschlan­d. Bei der Ankunft am Frankfurte­r Flughafen im November 2016 wurde die 40-Jährige festgenomm­en, weil sie mehrere Geldstrafe­n nicht bezahlt hatte. Erst danach wurden die angebliche­n ISVerbindu­ngen bekannt.

Vor dem Nürnberger Amtsgerich­t spielten diese nur am Rande eine Rolle. Dafür ermittelt in München die Generalsta­atsanwalts­chaft wegen Verdachts der Unterstütz­ung einer terroristi­schen Vereinigun­g gegen die 40-Jährige. Ob allerdings jemals wirklich aufgeklärt wird, ob sich die Hausfrau den Terroriste­n anschließe­n wollte oder nicht, ist jedoch mehr als fraglich. Laut der Richterin in Nürnberg habe der Oberstaats­anwalt in München angedeutet, dass bei einer Verurteilu­ng der Frau zu mindestens drei Jahren Haft das Verfahren in der Landeshaup­tstadt eingestell­t werden könnte. Catherine Simon, dpa

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Foto: Daniel Karmann, dpa In Nürnberg musste sich die 40 Jährige wegen der Entführung ihrer Kinder ver antworten.

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