Augsburger Allgemeine (Land West)
Warum werden Kulturbauten oft so viel teurer?
Trend Bei Sanierung oder Neubau schnellen die Kosten vielfach nach oben. Experten geben mögliche Erklärungen
Köln
77 Millionen Euro sollte der Steuerzahler nach ursprünglicher Planung zur Hamburger Elbphilharmonie beisteuern – es wurden zehnmal so viel. Die Kosten für die Sanierung der Berliner Staatsoper uferten von 239 Millionen auf mindestens 400 Millionen Euro aus. Die Sanierung der Kölner Bühnen wird nach jetzigem Stand mehr als doppelt so teuer. Wie ist das möglich?
Zum Teil könnte es mit Unfähigkeit und Schlamperei zu tun haben. Der technische Betriebsleiter der Kölner Bühnensanierung, Bernd Streitberger, sagte nach seiner Ernennung letztes Jahr, es habe „eklatante Fehlleistungen“gegeben. Oberbürgermeisterin Henriette Reker kündigte an, sie werde der Kulturdezernentin die Aufsicht über Bauvorhaben entziehen und diese künftig bei der städtischen Gebäudewirtschaft ansiedeln. Stets wird auch auf die immer strengeren Vorschriften für Energietechnik und Brandschutz verwiesen. Auch gibt es grundsätzlich bei jedem großen Projekt Unwägbarkeiten. Doch das kann bei Weitem nicht alles erklären.
Entscheidend ist wohl etwas anderes: Projekte, bei denen man von Anfang an realistisch kalkulieren würde, hätten nach Überzeugung vieler Stadtpolitiker keine Chance, jemals verwirklicht zu werden. Die Kosten wären der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln, heißt es. „Deshalb stapeln die Bauunternehmen erst mal niedrig und versuchen dann im Laufe des Projekts, die Kosten zu erhöhen“, erläutert Timo Braun, Juniorprofessor für Projektmanagement in Berlin. Die Politik steht bei einer Ausschreibung unter großem Druck, den günstigsten Anbieter auszuwählen. Das ist aber nicht unbedingt der beste und ehrlichste. „Den Politikern ist es schon bewusst, dass es bei den anfänglich veranschlagten Kosten nicht bleiben wird“, sagt Braun. „Aber sie haben keine andere Wahl, als das Spiel der Vergabepraxis bei öffentlichen Projekten mitzuspielen.“
Einen anderen Weg wollte man jetzt in Frankfurt gehen, wo die Städtischen Bühnen ebenfalls saniert werden müssen. Die Stadt ließ vorab drei Varianten prüfen: Teilsanierung, Gesamtsanierung, Neubau. Ergebnis: Alles kostet deutlich über 800 Millionen. „Das ist erst mal erschreckend, aber dafür realistisch“, sagt der beauftragte Gutachter Jörg Friedrich. „Jetzt hat die Stadt Frankfurt ein Arbeitsgerät an der Hand, mit dem sie sich ein Theatersanierungskonzept am vorhandenen Standort differenziert zusammensetzen kann.“Die Politik reagierte jedoch überwiegend schockiert auf die Zahlen. Oberbürgermeister Peter Feldmann stellte klar, „dass die in der Studie genannten Summen nicht akzeptabel sind und neu geplant werden muss“.
Marc Grandmontagne, Geschäftsführender Direktor des Deutschen Bühnenvereins, sieht gerade in einer besseren Planung den Schlüssel zur Vermeidung von Desastern wie in Köln: „Die Erfahrungen belegen, dass mehr Zeit und Sorgfalt in die Vorplanung investiert werden müsste.“
Aber auch das muss man feststellen: In Hamburg redet heute kaum noch jemand über Kosten, sondern nur noch über die Strahlkraft des neuen Wahrzeichens. Gutachter Friedrich meint: „Die Elbphilharmonie hat gezeigt, dass man für eine Menge Geld auch etwas Gutes bekommen kann.“