Augsburger Allgemeine (Land West)

Die harte Tour

Qual Über 3000 Kilometer in drei Wochen: Die Frankreich-Rundfahrt setzt den Fahrern zu. Ein Bild zeigt das besonders

- VON ANDREAS SCHOPF

Augsburg

Dass Radfahren anstrengen­d sein kann, weiß jeder, der das Zweirad schon zu mehr benutzt hat als zum Semmeln holen um die Ecke. Doch selbst Hobby-Radsportle­r dürften sich nur schwer vorstellen können, was ihre profession­ellen Kollegen derzeit in Frankreich leisten. Die Tour de France ist eine Tour der Leiden. Was die Bilder der TV-Übertragun­gen erahnen lassen, hat der polnische Tour-Teilnehmer Pawel Poljanski jetzt eindrucksv­oll auf der Online-Plattform Instagram dokumentie­rt. Der 27-Jährige hat ein Bild seiner Beine hochgelade­n, in denen 16 Etappen und knapp 3000 Kilometer stecken. Poljanskis Beine sind durchzogen mit dicken Venen, die Füße sind blau angelaufen. Sein Kommentar: „Ich glaube, meine Beine schauen ein bisschen müde aus.“

Das Foto verstört und fasziniert zugleich – weshalb es auch öffentlich große Wellen schlägt. Poljanskis Teamarzt Jan-Niklas Droste erklärt gegenüber Bild: „Das Foto wurde direkt nach der Etappe aufgenomme­n. Er hat also bis kurz zuvor bei großer Hitze vier Stunden nur in die Pedale getreten. Plötzlich steht er aber still. Das Blut läuft nach unten und dadurch füllen sich die Venen.“Außerdem habe der Pole nur wenig Körperfett, eine dünne Haut und dadurch besonders sichtbare Venen. Alles halb so schlimm also?

Der Augsburger Sportmediz­iner Peter Konopka war zwölf Jahre Arzt der deutschen Rad-Nationalma­nnschaft. „So einen extremen Fall habe ich noch nie gesehen“, sagt er. Er vermutet, dass Poljanski in zu hohen Gängen die Berge hochgefahr­en ist, zu sehr gepresst hat. „Dann staut sich das Blut in den Beinen.“Dies sei zwar nicht ganz normal, aber auch nicht gefährlich. Anders sieht es Ingo Froböse, Professor an der Deutschen Sporthochs­chule in Köln. „Die Beine des Fahrers sind komplett dehydriert, es fehlt Wasser“, sagt er der Welt. Außerdem habe Poljanski sein Unterhautf­ettgewebe verbrannt. Offenbar habe er in den vergangene­n Wochen mehr Energie verbraucht als er durch Nahrung zugeführt hat.

Für die Tour wird der Körper eines Radsportle­rs zur Hochleistu­ngsmaschin­e. Die verbraucht pro Tag bis zu 15000 Kalorien und bis zu zehn Liter Flüssigkei­t. Am Ende der dreieinhal­btausend Kilometer haben die Fahrer bis zu zehn Kilo verloren.

Auch sonst zeigt die Tour: Radsport ist nichts für Zartbesait­ete. Der Australier Richie Porte stürzte auf einer Abfahrt bei Tempo 80 und krachte gegen eine Felsböschu­ng. Die Diagnose Becken- und Schlüsselb­einbruch war in diesem Fall ein glückliche­s Ende. Einige Auszüge aus den Krankenakt­en anderer Tourfahrer: Kniescheib­enbruch, Lendenwirb­elbruch, Schulterbl­attbruch.

»Randbemerk­ung

 ?? Fotos: Roth & Roth ?? Strampeln bis zur völligen Erschöpfun­g: Der fünffache Etappensie­ger Marcel Kittel, der sich nach einem Sturz inzwischen von der Tour verabschie­det hat.
Fotos: Roth & Roth Strampeln bis zur völligen Erschöpfun­g: Der fünffache Etappensie­ger Marcel Kittel, der sich nach einem Sturz inzwischen von der Tour verabschie­det hat.
 ?? Foto: pixathlon ?? Ließ sich von einem Sturz auf der neunten Etappe nicht aufhalten: Der Kasache Alexey Lutsenko fuhr trotz zahlreiche­r Hautabschü­rfungen weiter.
Foto: pixathlon Ließ sich von einem Sturz auf der neunten Etappe nicht aufhalten: Der Kasache Alexey Lutsenko fuhr trotz zahlreiche­r Hautabschü­rfungen weiter.
 ?? Foto: afp ?? Gehören zusammen: Der Pole Pawel Pol janski und seine Beine, die er nach den Anstrengun­gen der 16. Etappe fotogra fiert und auf Instagram veröffentl­ich hat.
Foto: afp Gehören zusammen: Der Pole Pawel Pol janski und seine Beine, die er nach den Anstrengun­gen der 16. Etappe fotogra fiert und auf Instagram veröffentl­ich hat.
 ??  ?? Peter Konopka
Peter Konopka

Newspapers in German

Newspapers from Germany