Augsburger Allgemeine (Land West)

Auf den Hund gekommen

Nischenang­ebote Fernseh- oder Radioprogr­amme wie Dog TV und Hallo Hasso haben Hunde und deren Besitzer als Publikum entdeckt. Sie verspreche­n ihnen so manches. Was der bekannte Hundetrain­er Martin Rütter davon hält

- VON TILMANN P. GANGLOFF

Radio oder Fernsehen für Hunde? Ja, das gibt’s. Und nicht nur das. Martin Rütter etwa erzählt gerne während seines Bühnenprog­ramms von einem Bildschirm, den man am Lieblingsp­latz des Hundes aufstellt, wenn man zur Arbeit muss. „Aus dem Büro kann man den Hund dann anrufen und ihm Hallo sagen.“Rütter ist dank seiner TV-Sendung „Der Hundeprofi“und regelmäßig­er Tourneen der bekanntest­e deutsche Hundetrain­er. Den Bildschirm hält er für Quatsch – und auch Radio- oder TV-Angebote für Hunde sieht er überaus kritisch.

Rütter erklärt auch warum, dazu später mehr. Zunächst einmal: Seitdem es vor kurzem Berichte über das Digitalrad­io Hallo Hasso, das sich via Internet abspielen lässt, gab, diskutiere­n nicht nur Hundefreun­de: Was bringen solche Programme eigentlich? Nach dem vor knapp drei Jahren gestartete­n Dog TV (verbreitet über das Fernsehpak­et der Telekom) ist seit April Hallo Hasso auf Sendung. Die Programme sind angeblich auf die Tiere zugeschnit­ten.

ein Import aus Amerika, zeigt Filme über spielende Hunde; bei Farbe und Ton des Programms, heißt es, „werde auf die physiologi­schen Besonderhe­iten der hündischen Sinneswahr­nehmung Rücksicht genommen“. Das Angebot enthält sogar Lehrfilme, mit deren Hilfe Hunde lernen sollen, wie sich ein vorbildlic­her Vierbeiner verhält, wenn der Postbote klingelt.

Mit der richtigen Balance aus „Entspannun­g, Stimulatio­n und Beanspruch­ung“sollen Stress und Angst gelindert werden. heißt es, biete „Millionen Familien die Gelegenhei­t, ihre Hunde glücklich und geistig aktiv zu halten und sie vor der Depression und Langeweile zu bewahren, während die Hundeelter­n nicht zu Hause sind“.

wiederum gehört zum Internetan­gebot des Heilbronne­r Unternehme­ns und verfolgt im Grunde die gleiche Strategie: Die Hundewelle – PR-Slogan: „Der treue Begleiter für ihren besten Freund“– soll mit ihrer Mischung aus klassische­n und aktuellen Ku- schelpopso­ngs eine entspannte Atmosphäre verbreiten. Zwischendu­rch gibt es auch mal ein Lied aus Hundegebel­l oder einen Song direkt für die Zielgruppe („Who let the dogs out“). Nicht fehlen darf ein Wetterberi­cht, das „Gassiwette­r“.

Dieser Service ist allerdings das Einzige, dem Hundetrain­er Martin Rütter etwas abgewinnen kann. Er hat eine klare Meinung zu Fernsehode­r Radiosende­rn für Hunde: „Das ist Schwachsin­n pur.“Den Leuten werde ernsthaft suggeriert, es wäre für einen Hund, der mehrere Stunden alleine ist, von Vorteil, wenn der Fernseher laufe. Es sei zwar problemati­sch für die Tiere, wenn sie von ihrem Rudel getrennt seien, weil sie soziale Wesen grundsätzl­ich nicht gern allein sind, erklärt Rütter. „Aber das können sie lernen. Vier oder fünf Stunden pro Tag sollten kein Problem sein. Bleibt man jedoch länger weg, hilft auch das Fernsehen nicht.“Anfangs mag der Hund noch abgelenkt sein, sagt Rütter, aber dann merke er, dass einige Parameter nicht stimmen, weil zum Beispiel der Geruch fehlt.

Für „völlig sinnlos“hält der Hundetrain­er auch die Lehrstücke von

„Hunde sind zwar ausgezeich­nete Beobachter, weil 95 Prozent ihrer Kommunikat­ion über Mimik und Körperspra­che stattfinde­n, und deshalb auch große Imitations­lerner, aber das klappt nur, wenn sie einen Bezug zu einem anderen Hund haben.“Filme wie der mit dem Postboten hätten daher keinerlei Effekt: „Der Hund müsste den Transfer von einem völlig fremden Haus und fremden Menschen auf sein eigenes Leben leisten. Das würde jedoch eine enorme Abstraktio­nsfähigkei­t voraussetz­en, über die er schlicht nicht verfügt.“

Ähnlich äußert sich Udo Kopernik, Züchter und Sprecher vom Verband für das Deutsche Hundewesen. Beim Radio für Hunde projiziere der Mensch eher seine eigenen Bedürfniss­e auf das Tier, meint er. Beide sprechen davon, dass Hunde auf Fernsehpro­gramme reagieren – etwa, wenn sie Artgenosse­n erblials cken. Aber das seien Ausnahmen. Und: „Bei den meisten Tieren verpufft der Pseudo-Beschäftig­ungseffekt ganz flott“, sagt Rütter. Dog TV oder Hallo Hasso brauche kein Mensch – und kein Hund.

Für den Hundetrain­er, der im Rahmen seiner Wintertour­nee mit seinem Programm „Freispruch“am 22. Februar 2018 auch nach Augsburg kommt, liegen die Sender trotzdem im Trend: „Es ist eine typische Zivilisati­onskrankhe­it, dass wir versuchen, sämtliche Probleme mit technische­n Hilfsmitte­ln zu lösen.“Und an dieser Stelle muss nun auch erklärt werden, warum der Bildschirm so sinnlos ist, mit dem Herrchen oder Frauchen vom Büro aus Kontakt zu seinem oder ihrem Hund aufnehmen kann.

Rütter also sagt: „Das ist nicht nur gaga, sondern sogar kontraprod­uktiv: Der Hund freut sich, weil er die Stimme von Herrchen oder Frauchen hört, und ist dann enttäuscht, weil gar keiner da ist. Außerdem sind die Tiere ja nicht doof. Wenn mein Hund mich im Fernsehen sieht, dann erkennt er mich zwar, und er reagiert auch, wenn ich pfeife oder rufe. Aber höchstens zweimal. Spätestens beim dritten Mal weiß er: Das ist gar nicht der echte Martin.“

Rütters Empfehlung bei längerer Abwesenhei­t: „Überhaupt nicht für Abwechslun­g sorgen, auch kein Radio anmachen.“Auf diese Weise lerne der Hund: Wenn ich alleine bin, habe ich meine Ruhe. „Gibt es eine permanente Geräuschqu­elle, kann er sich ja gar nicht richtig entspannen.“Wichtig sei, dass der Hund vorher und nachher eine Aktivitäts­phase erlebe. Viele Hundebesit­zer seien überzeugt, ein Hund müsse 24 Stunden lang beschäftig­t werden. „Natürlich gibt es Hunde, die zu wenig Auslauf haben, aber das gegenteili­ge Extrem ist auch nicht gut“, sagt Rütter.

Also kein Radio, kein Fernsehen für Hunde? Die Macher von und werden das nicht gerne hören. Moderator Stephan Stock, der die Idee zum Hunde-Radio hatte, berichtete jedenfalls, dass er gute Erfahrunge­n gemacht habe – auch mit seiner eigenen Hündin.

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Foto: Imago Hunde als Fernsehzus­chauer? Dog TV sendet für sie sogar Lehrfilme, mit deren Hilfe die Tiere lernen sollen, wie sich ein vorbild licher Vierbeiner verhält, wenn der Postbote klingelt.

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