Augsburger Allgemeine (Land West)
Angespannte Lage im Krankenhaus
Medizin Übe ich den richtigen Beruf aus? Diese Frage stellt sich offenbar jeder fünfte Klinikarzt. Woran das liegt und wie es in Krumbach aussieht
Krumbach
Die Umfrageergebnisse des Marburger Bundes sind deutlich: Fast jeder fünfte Krankenhausarzt trägt sich mit dem Gedanken, die ärztliche Tätigkeit aufzugeben. Die Arbeitsbelastung, der wirtschaftliche Druck, den sie verspüren, Personaleinsparungen und die wachsende Bürokratie werden als Gründe angeführt.
Die bundesweiten Resultate bestätigt auch eine noch nicht veröffentlichte Befragung der Ärztegewerkschaft in Bayern. 1135 Krankenhausärzte im Freistaat haben sich im Herbst 2016 daran beteiligt. Zwar sehen die meisten ihre Arbeit als sinnstiftend an, sagt Vanessa Schmidt, Sprecherin des Marburger Bundes im Freistaat. Aber viele Ärzte befänden sich in einer „Gratifikationskrise“. Und damit sei nicht der als zu gering befundene Verdienst gemeint. Es gehe vielmehr um fehlende Beachtung, Wertschät- – und das auch unter Kollegen oder von Vorgesetzten. Als einen der „Hauptstressoren“benennt Schmidt „artfremde Tätigkeiten“wie die anfallende Dokumentation von Patientenbehandlungen.
Helmut Sauler, der kaufmännische Direktor der beiden Kreiskliniken in Günzburg und Krumbach, kennt einen allgemeinen Wert. „Für Dokumentation wird heute bis zu einem Drittel der Arbeitszeit aufgewendet. Das fehlt natürlich, um sich beispielsweise noch intensiver mit den Patienten zu beschäftigen.“
Die Situation in den Kreiskliniken bezeichnet er als „angespannt“. Dabei sei es nicht so, dass bei den Ärzten Stellen eingespart würden. Im Gegenteil: Wenn jemand aus der Ärzteschaft für längere Zeit ausfalle, etwa wegen einer Erkrankung oder einer Schwangerschaft, „haben wir größte Probleme, die Position nachzubesetzen“. Mit einem Inserat im Deutschen Ärzteblatt sei man Sauler zufolge zwar 6000 Euro los, aber habe noch lange nicht die Gewiss- heit, bundesweit einen Kandidaten zu finden. Aber auch die Bemühungen sogenannter Headhunter seien nicht immer erfolgreich.
Das Personal ist am Kreiskrankenhaus in Krumbach zwischen 2007 und 2016 kräftig angewachsen – von 30 auf 42 Vollkräfte. Sie arbeiten in der Chirurgie, der Inneren Medizin, der Anästhesie und seit Februar 2016 auch im Medizinizung schen Versorgungszentrum (MVZ) des Krankenhauses, wo ambulante Behandlungen im Bereich der Allgemeinchirurgie, Proktologie oder Orthopädie angeboten werden.
Im selben Zeitraum allerdings ist auch die Zahl der stationären Behandlungen deutlich von 7420 im Jahr 2007 auf 8910 im vergangenen Jahr gestiegen. Dazu kommen jährlich etwa 24 000 ambulante Fälle, von denen etwa 9000 in der Notfallaufnahme behandelt werden. Rund 15 000 Patienten konnten immerhin an das MVZ weitergeleitet werden.
Was den Ärzten jedoch besonders zu schaffen macht, ist der Druck, den Spagat zwischen der medizinisch notwendigen Behandlung und der Wirtschaftlichkeit hinzubekommen, sagt Alexander Heiß, ärztlicher Direktor der Krumbacher Klinik. Es sei ja durchaus sinnvoll, die wirtschaftliche Komponente nicht ganz aus dem Blick zu verlieren. „Ich halte aber die Gleichsetzung eines Krankenhauses mit einem Produktionsbetrieb für problematisch.“
Sauler findet den Vergleich einer Klinik mit einem Wirtschaftsunternehmen einigermaßen daneben: „Wir werden zwar als solches behandelt, bekommen dafür aber nicht die Instrumente in die Hand.“Ein Beispiel: „Wenn ein Autohersteller als Verkaufsziel 50 000 Wagen nennt und in dem Jahr 60000 tatsächlich verkauft, gibt es Prämien. Wenn wir mehr Patienten behandeln, als das zuvor in den Budgetverhandlungen mit den Krankenkassen vereinbart worden war, müssen wir vom Mehrerlös 65 Prozent an die Kassen zurückzahlen.“
Was die Arbeitsbelastung bei den Ärzten anbelangt, sieht die Personalratsvorsitzende des Kreiskrankenhauses Günzburg, Helga Springer-Gloning, die Arbeit ungerecht verteilt. „Die Assistenzärzte sind wirklich überlastet“, sagt sie. Einige Oberärzte könnten Abhilfe schaffen, „tun es aber nicht“. Und ärztliche Tätigkeiten in den Pflegebereich zu verlagern, sei auch keine Lösung, weil das Pflegepersonal „aus dem letzten Loch pfeift“.
Das bestätigt auch Gerhard Schumertl, Personalratsvorsitzender in Krumbach. Egal ob bei den Ärzten oder in der Pflege, die personelle Situation sei überall angespannt. Er fordert eine gesetzlich verankerte Personalbemessungsuntergrenze. Wird die unterschritten, könne in der Konsequenz eine bestimmte Zahl an Betten nicht belegt werden.