Augsburger Allgemeine (Land West)
Der „Nazi Torwart“auf dem Lerchenberg
Film Kultregisseur Marcus H. Rosenmüller dreht Szenen für neuen Fußballfilm auf dem früheren Geheimgelände
Welden
Im Wald zwischen Welden, Zusamzell und Emersacker ist die Zeit stehen geblieben. Backsteingebäude, Gräben, Wasserturm und Bunker: Versteckt auf einem etwa 40 Hektar großen umzäunten Gelände stehen die Reste des früheren Paraxolwerks. Dort wurde im Dritten Reich unter größter Geheimhaltung ein Sprengstoff-Vorprodukt hergestellt. Jetzt wird der Lerchenberg zur Filmkulisse. Kultregisseur Marcus H. Rosenmüller („Wer früher stirbt ist länger tot“) dreht Szenen für den Historienfilm „Trautmann“. So heißt der frühere Torwart, der erst Kriegsgefangener war und dann von Manchester City verpflichtet wurde.
Während des legendären Cup-Finales 1956 sicherte Bert Trautmann im Londoner Wembley-Stadion seiner Mannschaft vor 100 000 Fans einen spektakulären Sieg gegen Birmingham City und gewann zugleich die Herzen aller Fußballfans. Was niemand ahnte: „Der oft als „NaziTorwart“verunglimpfte Trautmann spielte mit gebrochenem Halswirbel.
„Trautmann“sei eine hochemotionale Lebens- und Liebesgeschichte, erklärt Marc Körber von der Münchner Castingagentur „Producer’s Friend“. Auf dem Lerchenberg werden Szenen für etwa eineinhalb Minuten im Film gedreht. Als Kulisse dient ein gesprengter Bunker. Dort soll es zu einer Schießerei kommen – die Handlung spielt im späteren Film in der Ukraine. Trautmann, der Fallschirmjäger der Luftwaffe war, kämpfte während des Kriegs drei Jahre an der Ostfront. Später wurde er an die Westfront abkommandiert, wo ihn britische Truppen gegen Ende des Krieges gefangen nahmen. Trautmann wurde entdeckt und arbeitete sich zum besten Torhüter der Welt hoch. Im Film wird Trautmann von David Kross („Der Vorleser“, „Krabat“) gemimt.
In den nächsten Tagen beginnen die Dreharbeiten in Augsburg: Das wird zum Schauplatz. Am Lerchenberg fällt die Klappe vermutlich zwischen 26. Juli und 7. August. Wann genau, ist nicht bekannt: Die Filmemacher wollen ungestört sein. Eines ist aber sicher: „Wenn gedreht wird, ist auch Rosenmüller da“, verspricht Körber.
Der Regisseur war in den vergangenen Tagen für die ersten Einstellungen in Irland. Die Kosten der englischsprachigen Produktion werden auf rund 15 Millionen Euro geschätzt. 2018 soll der Fußballfilm in die Kinos kommen. Ob der Lerchenberg im Nachspann erwähnt wird? „Lieber nicht“, hofft der Besitzer des Geländes, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Er hofft, dass bald wieder Ruhe einkehrt an dem Ort. Einem Ort, um den weiter Geheimnisse und Gerüchte ranken. Um 1937 begann der Bau des Geheimwerks mit dem Tarnnamen Z-Hiag. In Welden gab es eine Verladerampe für die Rohstoffe und die gefährliche Fracht. Mit dem Betrieb des Geheimwerks sollen jeden Monat unter anderem 900 Tonnen Kohle, 460 Tonnen Methanol, 200 Tonnen Schwefelsäure und fünf Tonnen Natronlauge in Kesselwagen mit der Bahn angekommen sein. Daraus wurde Pentaerythrit hergestellt, so wie in den meisten Anlagen der Paraxol GmbH, einer Tochterfirma der Deutschen Gold- und Silberscheideanstalt (Degussa). Der Stoff wurde mit konzentrierter Salpetersäure zu Nitropenta verarbeitet und wanderte schließlich in Munitionshülsen. Zeitzeuge Albert Dieminger erinnert sich an das getrockRosenaustadion nete Methanol: Es sah aus wie Zucker. 1944 soll die Produktion auf Raketentreibstoff umgestellt worden sein. Wie viele Tonnen vom Sprengstoff-Vorprodukt im Holzwinkel hergestellt wurden, ist nicht bekannt. Geplant waren monatlich 180 Tonnen. Die gesamte Anlage wurde 1946 von den amerikanischen Besatzern mit einem Wert von über zwölf Millionen Reichsmark taxiert.
Hochexplosiv war es auch auf dem Lerchenberg, als die Bundeswehr 1961 das Gelände übernahm. Zunächst wurde ein Betriebsstoffdepot eingerichtet. Das heißt: Gelagert wurden dort Hydraulik- und Motorenöle sowie Kraftstoff. Weil die Anlage jedoch nicht den Vorschriften entsprach, wurde in Stettenhofen ein neues Depot gebaut und die Kraftstoffe dorthin gebracht. Später wurde der Lerchenberg zum zweiten Mal zu einer Großbaustelle: 32 erdeingedeckte Bunker wurden errichtet, um Musich nition zu lagern. An die 400 Tonnen sollen es gewesen sein, von der kleinsten Patrone bis zu Raketen. Eingelagert wurden auch Bekleidung, Einsatzverpflegung und ABC-Schutzausrüstung – Nachschubgüter für die Versorgung der Verbände und Einheiten des II. Korps in Ulm. Der Lerchenberg war eine Hochsicherheitszone. Über 30 Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma bewachten rund um die Uhr das mit Stacheldraht umgebene Gelände. Trotzdem gab es Kontakte zwischen den Soldaten und der Bevölkerung. Wilhelm Müller, dessen Vater an der Heizung für das Werk mit gebaut hatte, erinnerte sich an Übungen der Feuerwehr auf dem Gelände. Von der Laugna mussten die Schläuche auf den Lerchenberg gelegt werden. Vielen in Erinnerung geblieben ist auch die Haifisch-Bar. 1994 wurde das Munitionsdepot aufgelöst, vier Jahre später wurde das gesamte Gelände dann verkauft.