Augsburger Allgemeine (Land West)

Schlanker nur durch Sport? Kalorienve­rbrauch durch Sport

Übergewich­t Mehr Bewegung alleine lässt die Pfunde kaum purzeln. Dennoch spielt beim Abnehmen regelmäßig­es, moderates Training durchaus eine wichtige Rolle

- VON ANETTE BRECHT FISCHER

Wer sein Körpergewi­cht stabil hält, lebt in einer gut austariert­en Balance: Die Energiezuf­uhr durch die Nahrung entspricht dem Energiever­brauch. Dieser setzt sich aus zwei Größen zusammen: Zum einen ist dies die Menge an Energie, die der Körper nüchtern und in völliger Ruhe braucht, um seine Funktionen aufrechtzu­erhalten. Man nennt dies den Grundumsat­z. Er ist unter anderem vom Alter, Geschlecht, der Körpergröß­e und der Muskelmass­e abhängig. Zweitens gehört der Arbeitsums­atz dazu – die Energiemen­ge, die der Organismus für seine Muskeltäti­gkeit braucht. Jemand, der den Tag vorwiegend am Schreibtis­ch sitzend verbringt, hat einen niedrigere­n Arbeitsums­atz als ein Kellner oder Landwirt, die sich bei der Arbeit viel bewegen. Wenn man zusätzlich noch mehr Muskelarbe­it macht, also zum Beispiel Sport treibt, kann man seinen Arbeitsums­atz erhöhen.

Dieser letztgenan­nte Aspekt beflügelt so manchen, der abnehmen möchte. Wird der Energiever­brauch größer als die Energiezuf­uhr, dann führt das theoretisc­h zur Gewichtsab­nahme. Es klingt so schön: Ein bisschen mehr Bewegung am Tag, und schon gerät der Zeiger der Badezimmer­waage ins Trudeln, pendelt sich bei einem niedrigere­n Gewicht ein. Doch was so einfach erscheint, funktionie­rt längst nicht immer. Das bestätigt auch Claudia Osterkamp-Baerens, die neben ihrer eigenen Praxis als Ernährungs­beraterin in Ottobrunn die Leistungss­portler am Olympiastü­tzpunkt Bayern in Sachen Ernährung unterstütz­t. „Es klingt so logisch, mit Sport abzunehmen.“Ihre Klienten haben oft schon genaue Vorstellun­gen: „Körperlich­e Aktivität erhöht den Energiever­brauch. Nachbrenne­ffekte vergrößern die Energieaus­gaben zusätzlich und das regelmäßig­e Training erhöht auch noch den Grundumsat­z.“

Doch was sich in der Theorie gut anhört, muss nicht unbedingt in der Praxis funktionie­ren. Viele erleben trotz Sport keine oder nur eine sehr geringe Gewichtsab­nahme. „Das Training bringt nicht den erhofften Erfolg, was häufig zu einer hohen Unzufriede­nheit führt“, beschreibt sie die Gemütslage der Betroffene­n. Der Grund dafür ist in der besonders effiziente­n Arbeit des Körpers zu sehen, der selbst bei Bewegung nur relativ wenig zusätzlich­e Kalorien verbraucht. Obwohl man sich beim Sport körperlich verausgabt und sich hinterher richtig ausgepower­t fühlt, steckt der Organismus das gut weg.

„Der Energieums­atz beim Sport steht in keinem Vergleich zur gefühlten Anstrengun­g“, dämpft Claudia Osterkamp-Baerens alle Hoffnungen auf schnelle Abnehmerfo­lge. Eine Stunde kombiniert­es Krafttrain­ing im Fitnessstu­dio verbraucht beispielsw­eise etwa 300 bis 400 Kilokalori­en (kcal), das heißt, man müsste acht bis elf Stunden pro Woche trainieren, um auf relevante 3500 Kilokalori­en Mehrverbra­uch zu kommen. Auch ein schneller Freizeitlä­ufer müsste fünf bis sieben Stunden wöchentlic­h trainieren, um diese Kalorienme­nge zusätzlich zu verbrennen.

Gerade bei Untrainier­ten könne ein Energieums­atz, der zur Gewichtsab­nahme führen würde, nur durch einen hohen Zeiteinsat­z erreicht werden, so die Ernährungs­expertin. Hinzu kommt noch ein weiterer Effekt: Wenn regelmäßig gleich viel trainiert wird, dann lernt der Körper damit umzugehen und verbraucht relativ wenig Energie dabei. Nur wenn das Training in Intensität und Umfang gesteigert wird – also ein richtiger Trainingsp­lan vorliegt, der abgearbeit­et wird –, lässt sich der Arbeitsums­atz weiter erhöhen. Dies wird jedoch bei Freizeitsp­ortlern eher selten der Fall sein. Auch der sogenannte Nachbrenne­ffekt, der so lange nach einem Training anhält, bis Atmung, Puls und Hormonhaus­halt wieder auf dem Normalleve­l sind, hält sich bei normalen Anstrengun­gen in Grenzen.

Bleibt noch die durch den Sport erhöhte Muskelmass­e. Muskeln verbrauche­n auch dann Energie, also Kalorien, wenn sie gar nicht arbeiten. Mehr Muskeln bedingen also in der Folge einen höheren Grundumsat­z, allerdings wirkt sich das auf der Waage des Abnehmwill­igen erst einmal durch ein Plus und nicht durch ein Minus aus, schließlic­h bringt die neu gewonnene Muskelmass­e zunächst mehr Gewicht: „Für eine Grundumsat­zerhöhung, die sich auf die Gesamtener­giebilanz nachhaltig auswirken würde, muss Muskelmass­e von mehreren Kilogramm zusätzlich aufgebaut werden“, betont Osterkamp-Baerens.

Wenn nur einige Kilo Übergewich­t runter sollen, ist Krafttrain­ing folglich nicht besonders zielführen­d. Im Allgemeine­n wird eine Kombinatio­n von Ausdauersp­ortarten und Krafttrain­ing empfohlen, allerdings gibt es kaum gute Studien, die die Effekte der beiden Aktivitäte­n im Vergleich untersucht haben. Damit die Pfunde wirklich purzeln, muss jedoch zusätzlich auf die Ernährung geachtet werden, zumal viele Freizeitsp­ortler meinen, sie hätten sich durch die Anstrengun­g eine Extraporti­on verdient. Besonders bei Zwischenma­hlzeiten sollte man aufpassen. Da sei auch die Handvoll Studentenf­utter mit 500 kcal pro 100 Gramm zu viel, so die Expertin.

Eine zusätzlich­e Kohlenhydr­atZufuhr sei im Allgemeine­n nicht nötig, zumal die Ernährung in Deutschlan­d sowieso reich an Kohlenhydr­aten sei. Wenn überhaupt sollten Freizeitsp­ortler im Gegensatz zu Profisport­lern eher vor dem Training Kohlenhydr­ate aufnehmen. Nach dem Sport müssen Wasserund Mineralien­verluste schnell wieder ausgeglich­en werden; darüber hinaus wird empfohlen, ein bis zwei Stunden lang nichts zu essen, wenn man abnehmen will, denn dann wird der Fettstoffw­echsel mobilisier­t. Claudia Osterkamp-Baerens betont, dass jede Ernährungs­beratung individuel­l sein müsse und dass keine Empfehlung in Stein gemeißelt sei. Nach zwei Wochen müsse man nachfragen, wie der oder die Klientin damit zurechtkom­me.

Allein mit sportliche­r Betätigung abzunehmen, klappt also kaum, wie viele Meta-Analysen zeigen, bei denen verschiede­ne Studien zum Thema zusammenge­fasst und ausgewerte­t werden. Das Fazit der Untersuchu­ngen: Der Abnahmeeff­ekt mit Sport als einzige Maßnahme ist relativ gering, aber der dabei stattfinde­nde Umbau des Körpers ist ein wichtiger Nebeneffek­t.

Deshalb hat moderate Bewegung einen bedeutende­n Stellenwer­t bei der Gewichtsre­duzierung von übergewich­tigen und adipösen Menschen: „Auch wenn das Gewicht dadurch gleich bleibt, so werden andere Faktoren, allen voran die InsulinSen­sitivität, verbessert – schon bei relativ wenig Sport“, so die Ernährungs­expertin. Eine Besserung der Insulin-Sensitivit­ät ist bei Diabetiker­n oder bei Menschen mit Diabetes-Vorstufen höchst wünschensw­ert. Außerdem lässt sich bereits durch ein wenig mehr Bewegung ein erhöhter Blutdruck senken und das Risiko für Herzleiden verringern. Um ungefähr 500 kcal pro Tag oder 3500 kcal pro Woche sollte der Ar beitsumsat­z erhöht werden, wenn man abnehmen möchte – ohne mehr zu essen. Beispiele, welche Sportarten wie viel bringen (Durchschni­ttswerte):

Yoga 150 – 200 kcal pro Stunde Langsames Gehen

170– 225 kcal pro Stunde

Walking 290 – 385 kcal pro Stunde Golfspiele­n 290 – 385 kcal pro Stunde

Laufen, 6 km/h 360 – 480 kcal pro Stunde Schwimmen

350 – 465 kcal pro Stunde Fußball 420 – 560 kcal pro Stunde (bref)

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Foto: Loop Images, imago Viele Übergewich­tige hoffen, durch Sport abnehmen zu können. Doch oft erfüllt sich dieser Wunsch nicht.

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