Augsburger Allgemeine (Land West)
Ein Fronhof voller Verführungen
Open Air Der Cellist Maximilian Hornung reißt das Publikum hin. Und Don Giovanni versucht, seine Liste an Eroberungen fortzusetzen
Sie ist eine musikalisch fruchtbare „Kulturachse“, diese Verbindung Prag–Augsburg, eingebettet in das sommerliche Festival der „Konzerte im Fronhof“. Zum 19. Mal präsentierte Wilhelm F. Walz in der Idylle hinterm Dom den Fronhof-Fans ihre gewohnte Atmosphäre – auch unter dem neuen Veranstalter, dem Verein „Konzerte im Fronhof e.V.“, der nach der Auflösung der Theatergemeinde ebenso erfolgreich wie unauffällig in die Bresche gesprungen ist.
„Best of Mozart & Dvor˘ák“war das Programm 2017 betitelt, das traditionell im Mittelpunkt das Orchester SUK Symphony Prag einlöste. Dvor˘ák pur widmete sich die eröffnende Orchestergala I am Freitag bei angenehmen Temperaturen, die „Highlights – Don Giovanni und mehr“mit Mozart, Gluck und Richard Strauss folgten am Samstag, der Sonntag (morgen mehr von der abschließenden Orchestergala II) sah Mozart und Dvor˘ák vereint.
Die „Highlights“beschäftigten sich mit dem Frauenhelden Don Juan, doch schon in der Orchestergala I im Dvor˘ák-Abend war ein Verführer zur Stelle, nämlich der in Augsburg geborene Top-Cellist Maximilian Hornung, der als „Künstler in Residenz“auch einen Meisterkurs im Leopold-MozartZentrum durchführte.
Was er in der eröffnenden Orchestergala als Künstler hören ließ, verdrehte dem Publikum gleichsam den Kopf. Das Cello-Konzert h-Moll, vielleicht das bedeutendste romantische Solowerk mit Orchester seiner Art, glitt unter seinen Händen glänzend hexenmeisterlich, gelassen, lyrisch versunken, tempogeladen und unter Starkstrom von Station zu Station. Und das unter erschwerten Bedingungen: Was Hornung trotz extrem störender Geräusche durch die am Dom „feiernden“Nicht-Konzertbesucher an Konzentration und Unbeirrtheit leistete, war bewundernswert. Es bestachen Geschmeidigkeit, subtil schimmernder Lyrik-Ton, ausbrechende Motorik: hier scharf gemeißelt, dort mit praller Opulenz. Die Ablösungen mit dem Orchester und die gemeinsamen „Fahrten“wurden von Hornung mit souveränen Impulsen inszeniert. Die Bravos beantwortete er mit federndem Bach-Spiel (1. Cello-Suite).
War die SUK Symphony hier schon hörbar in ihrem Element, so legte das Prager Orchester unter der Leitung von Wilhelm F. Walz dann noch an Präzision und AusdrucksVielfalt in Dvor˘áks achter Sinfonie zu. Die sanft eingeleitete Mischung aus Naturlaut-Anmutung (Flöte) und feierlicher Choral-Gebärde im ersten Satz, die farbige Melancholie des Adagio, die in skurrile Tanzschritte mündet, der elegische Walzer-Schwung des Allegretto mit seinem slawischen Rhythmik-Raffinement im Intermezzo, schließlich die mit viel golden gleißendem Blech ausgestattete Marsch-Bewegung des Finales: Das ganze changierende Panorama disponierte Walz mit zwingenden Phrasierungen und stimmig ausgekosteter kompositorischer Dramaturgie bis zum explodierenden Schlusstakt. Begeisterter Beifall.
Folgte am Samstag der Themenabend „Don Giovanni“mit musikhistorisch bedeutenden Perspektiven auf diesen Schwerenöter, der so leicht – als Verbrecher hier, Libertin dort – in Schubladen verstaubar erscheint. Christoph Willibald Glucks Ballett machte (in Auszügen) den Auftakt, eingangs so höfisch wie aristokratisch von der SUK Symphony unter Wilhelm F. Walz angegangen, später dann im Fandango und in der Orkusszene, die Gluck für seinen „Orfeo“übernahm, dramatisch zugespitzt.
Bei Straussens „Don Juan“-Tondichtung, vielleicht das am stärksten besetzte Werk, das die FronhofKonzerte bislang aufboten, war das Orchester weniger in seinem Element als bei Mozarts „Don Giovanni“-Szenen. Während der Strauss eher einem sanft kolorierten Kupferstich denn der rauschhaften Pracht eines Ölgemäldes zuneigte (sehr schön das Oboensolo und die nachfolgenden Takte mit Hornsatz!), offerierten die Ausschnitte aus der „Oper aller Opern“musikalische Glut – vor allem durch die Solisten, unter denen Günter Papendell in der Titelrolle herausstach aufgrund seines baritonalen Schönheitsvolumens mit exzellenter Tonbildung und Sprachartikulation, ganz abgesehen von der erforderlichen mimischen Arroganz.
Jacques Malan als vielfach erprobter Erzähler traf den rechten zuspitzenden (und distanzierenden) Leporello-Ton für diese spanische Sex- and Crime-Story aus dem 18. Jahrhundert. Großer Applaus.