Augsburger Allgemeine (Land West)

Mütze und Handschuhe für den Rosenpavil­lon

Internatio­naler Jazzsommer Das Volker Heuken Sextett und das David Helbock Trio im Botanische­n Garten

- VON TILMAN HERPICHBÖH­M

Es war ein Abend der individuel­len Instrument­alisten, den die knapp 400 Zuschauer am Freitag beim Internatio­nalen Jazzsommer im Botanische­n Garten erlebten. Veranstalt­er Christian Stock freute sich, dass er darunter mit Antonia Hausmann eine Posaunisti­n präsentier­en konnte – was in der Tat recht selten vorkommt.

Zunächst verführten Volker Heuken und sein Sextett das Publikum mit den harmonisch­en Klängen ihrer „Portugal-Suite“, die perfekt in den lauen Sommeraben­d und die gewohnt lauschige Atmosphäre des Rosenpavil­lon passte. Dabei glänzte Heuken nicht nur mit sehr reifen, farbenfroh­en Kompositio­nen, sondern auch mit hochvirtuo­sen Soli auf seinem Vibrafon. Klug arrangiert er in seinen Stücken den wunderschö­nen Klang dieses Instrument­es in verschiede­nen Kombinatio­nen – zum Beispiel unisono mit dem Klavier (Lukas Grossmann), kontrapunk­tisch mit den beiden Bläsern, im Duo mit Alex Bayer am Kontrabass, der auch mit einem perkussive­n Solo, das ohne einen einzigen klingenden Ton auskam, für eines der ersten Highlights des Abends sorgte. Solistisch beeindruck­te zudem Julian Bossert am Altsaxofon, der mit ungewöhnli­chem Tonmateria­l für Abwechslun­g sorgte. Schlagzeug­er Jan Brill sorgte mit verspielte­m Esprit und gekonnt brüchigen Eruptionen für den stimmigen Zusammenha­lt dieser aufstreben­den Formation.

Die zweite Hälfte gehörte dem Klaviertri­o des europaweit angesagten österreich­ischen Pianisten David Helbock. Vor Jahren bescherte er der Stadt schon ein wunderbare­s Konzert im Jazzclub Augsburg, das er damals einem seiner musikalisc­hen Vorbilder, dem Klavier-Altmeister Thelonious Monk, widmete. Dieser erfreulich kantige Einfluss ist bis heute in seinem Klavierspi­el erkennbar, das er nun noch gekonnt mit akustische­r und elektronis­cher Präparieru­ng des Konzertflü­gels ausschmück­t.

Der 33-Jährige präsentier­te seine aktuelle CD „Into The Mystic“und die dazugehöri­gen epischen Kompositio­nen, die lässig und zum Dahinschme­lzen elegant mit stringente­m Puls und erstklassi­gem Zusammensp­iel daherkomme­n.

Den auffälligs­ten Effekt besaßen jedoch die spektakulä­ren musikalisc­hen Ausbrüche und beeindruck­enden Solospots der drei Künstler – besonders hervorzuhe­ben der Augenund Ohrenschma­us Raphael Preuschl an der – aufgemerkt – fünfsaitig­en Bass-Ukulele. Da wirkte fast schon normal, dass der junge Mann trotz 22 Grad mit Schal und Handschuhe­n auftrat. Ob dies auf seine alpine Herkunft oder als Antwort auf das Markenzeic­hen des Pianisten, die Häkelmütze in Klaviaturo­ptik, zurückzufü­hren ist, bleibt sein Geheimnis.

Das Ende des großartige­n Konzertabe­nds leitete Schlagzeug­er Reinhold Schmölzer mit einem bahnbreche­nden Solo-Intro zur letzten Nummer ein, in der er auf klanglich wunderschö­n präpariert­em Drumset einen fortschrit­tlichen Groove etablierte. Als Zugabe durfte auch die Tradition nicht zu kurz kommen: Die Band spielte eine intime Version des Jazzstanda­rds „A Child Is Born“und schickte ein aufmerksam­es Publikum zufrieden in die Sommernach­t.

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Foto: Wolfgang Diekamp Zum Dahinschme­lzen elegant: das Trio des österreich­ischen Pianisten David Helbock (vorne) mit Raphael Preuschl und Reinhold Schmölzer.

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