Augsburger Allgemeine (Land West)
Wenn Polizisten den Schutz ihrer Kollegen brauchen
Kriminalität Gewalt gegen Beamte nimmt zu, der Respekt vor den Ordnungshütern nimmt ab. Woran liegt’s?
Junge Männer, die Krawall machen und auf Polizisten losgehen: Was sich vor einer Woche beim Stadtfest in Schorndorf in Baden-Württemberg abspielte, passt in den Trend, den Beamte im Landkreis immer mehr in ihrem Berufsalltag zu spüren bekommen: Sie werden zur Angriffsfläche. Ein Beispiel aus Gersthofen ist gar nicht so lange her.
Im Mai war ein Beamter gerade damit beschäftigt, die Personalien von einem Mann aufzunehmen, als sich plötzlich eine Gruppe Unbeteiligter einmischte. Einer der Männer filmte das Geschehen. Das sollte er unterlassen, bat ihn der Polizist. Doch der Mann dachte nicht daran – er machte weiterhin seine Videoaufnahme. Nach einer weiteren Ermahnung wollte der Beamte dem Mann die Kamera abnehmen – und bekam prompt einen Schlag auf die Nase. Es ist nicht der einzige Fall, dass sich Unbeteiligte in die Polizeiarbeit einmischen oder sie sogar behindern: „Das ist ein Phänomen, das es vor Jahren in diesem Maße noch nicht gegeben hat“, sagt der stellvertretende Leiter der Gersthofer Inspektion, Thomas Klingler. Heute müsse geprüft werden, ob nicht zusätzliche Polizeikräfte nötig sind, um den Kollegen den Rücken freizuhalten. Liegt’s am mangelnden Respekt vor der Polizei? Wird unsere Gesellschaft immer unnachgiebiger, rücksichtsloser, Ich-bezogener? Kann es sogar sein, dass Respektlosigkeit inzwischen Alltag geworden ist?
Eine klare Antwort gibt es nicht. Aber eine Statistik: Die besagt, dass Gewalt gegen Polizisten im Dienstbereich des Präsidiums Schwaben Nord zugenommen hat. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Straftaten um 33 auf 735. In den meisten Fällen ging es um Körperverletzungen (37,1 Prozent) sowie Beleidigungen (40,7). 195 Polizeibeamte wurden teilweise erheblich verletzt. 48 davon konnten danach nicht mehr in den Dienst, laut Statistik entstanden 266 Ausfalltage. Übergriffe sind freilich die entschiedenste Form des mangelnden Respekts. Dessen Wurzel sieht Raimund Pauli im Zeitgeist der Gesellschaft. Gewalt gegen Polizisten sei ein gesamtgesellschaftliches Problem, sagte er. Der Berliner Psychologe Tilmann Eckloff von der Business School Berlin sieht einen großen gesellschaftlichen Wandel. Hierarchie zähle immer weniger. Das bekommen auch Feuerwehrleute oder sogar Sanitäter zu spüren – sie werden zu Dienstleistern abgestuft. Eckloffs Rezept dagegen: Bildung und Kommunikation. Polizeichef Raimund Pauli sagt: „Wir müssen vehement dagegen steuern.“
Trotz Alkohol und Spaß sei despektierliches Verhalten gegenüber Einsatzkräften nicht zu tolerieren. Für die Polizisten bedeute das im Alltag: Höflich und bestimmt auftreten, klare Ansagen machen. „Ansonsten gibt’s Konsequenzen.“