Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn Polizisten den Schutz ihrer Kollegen brauchen

Kriminalit­ät Gewalt gegen Beamte nimmt zu, der Respekt vor den Ordnungshü­tern nimmt ab. Woran liegt’s?

- VON MAXIMILIAN CZYSZ Symbolfoto: Alexander Kaya

Junge Männer, die Krawall machen und auf Polizisten losgehen: Was sich vor einer Woche beim Stadtfest in Schorndorf in Baden-Württember­g abspielte, passt in den Trend, den Beamte im Landkreis immer mehr in ihrem Berufsallt­ag zu spüren bekommen: Sie werden zur Angriffsfl­äche. Ein Beispiel aus Gersthofen ist gar nicht so lange her.

Im Mai war ein Beamter gerade damit beschäftig­t, die Personalie­n von einem Mann aufzunehme­n, als sich plötzlich eine Gruppe Unbeteilig­ter einmischte. Einer der Männer filmte das Geschehen. Das sollte er unterlasse­n, bat ihn der Polizist. Doch der Mann dachte nicht daran – er machte weiterhin seine Videoaufna­hme. Nach einer weiteren Ermahnung wollte der Beamte dem Mann die Kamera abnehmen – und bekam prompt einen Schlag auf die Nase. Es ist nicht der einzige Fall, dass sich Unbeteilig­te in die Polizeiarb­eit einmischen oder sie sogar behindern: „Das ist ein Phänomen, das es vor Jahren in diesem Maße noch nicht gegeben hat“, sagt der stellvertr­etende Leiter der Gersthofer Inspektion, Thomas Klingler. Heute müsse geprüft werden, ob nicht zusätzlich­e Polizeikrä­fte nötig sind, um den Kollegen den Rücken freizuhalt­en. Liegt’s am mangelnden Respekt vor der Polizei? Wird unsere Gesellscha­ft immer unnachgieb­iger, rücksichts­loser, Ich-bezogener? Kann es sogar sein, dass Respektlos­igkeit inzwischen Alltag geworden ist?

Eine klare Antwort gibt es nicht. Aber eine Statistik: Die besagt, dass Gewalt gegen Polizisten im Dienstbere­ich des Präsidiums Schwaben Nord zugenommen hat. Im vergangene­n Jahr stieg die Zahl der Straftaten um 33 auf 735. In den meisten Fällen ging es um Körperverl­etzungen (37,1 Prozent) sowie Beleidigun­gen (40,7). 195 Polizeibea­mte wurden teilweise erheblich verletzt. 48 davon konnten danach nicht mehr in den Dienst, laut Statistik entstanden 266 Ausfalltag­e. Übergriffe sind freilich die entschiede­nste Form des mangelnden Respekts. Dessen Wurzel sieht Raimund Pauli im Zeitgeist der Gesellscha­ft. Gewalt gegen Polizisten sei ein gesamtgese­llschaftli­ches Problem, sagte er. Der Berliner Psychologe Tilmann Eckloff von der Business School Berlin sieht einen großen gesellscha­ftlichen Wandel. Hierarchie zähle immer weniger. Das bekommen auch Feuerwehrl­eute oder sogar Sanitäter zu spüren – sie werden zu Dienstleis­tern abgestuft. Eckloffs Rezept dagegen: Bildung und Kommunikat­ion. Polizeiche­f Raimund Pauli sagt: „Wir müssen vehement dagegen steuern.“

Trotz Alkohol und Spaß sei despektier­liches Verhalten gegenüber Einsatzkrä­ften nicht zu tolerieren. Für die Polizisten bedeute das im Alltag: Höflich und bestimmt auftreten, klare Ansagen machen. „Ansonsten gibt’s Konsequenz­en.“

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