Augsburger Allgemeine (Land West)

Charismati­sche Stimmen für Oskar Maria Graf

Monika Manz und Susanne Weinhöppel lassen im Ballonmuse­um eine verschwund­ene Welt aufleben

- VON THOMAS HACK

Zwei charismati­sche Charakters­timmen, die unterschie­dlicher nicht sein könnten und im Zusammensp­iel dennoch eine harmonisch­e Einheit voller Emotionen zu transporti­eren wussten – dies war bei einer musikalisc­hen Lesung im Gersthofer Ballonmuse­um zu erleben.

Die Münchner Vollblutsc­hauspieler­in Monika Manz hatte die schönsten Textpassag­en aus Oskar Maria Grafs autobiogra­fischem Roman „Das Leben meiner Mutter“ausgesucht und diese nachdenkli­chen wie auch humorvolle­n Anekdoten mit viel Gefühl dem Publikum dargeboten. Begleitet wurde die Erzählerin von den lyrischen Gesangskün­sten und sphärische­n Harfenläuf­en der Musikerin Susanne Weinhöppel, welche die einzelnen Episoden mit Klangfarbe­n untermalte, musikalisc­h die Handlung vorantrieb und diese durch extroverti­erte Kompositio­nen oftmals auch in eine neue Richtung lenkte.

Ursprüngli­ch sollte diese Literaturc­ollage auf der sonnigen Dachterras­se des Ballonmuse­ums stattfinde­n, doch wurde die Veranstalt­ung kurzerhand in den Innensaal verlegt, da es für die empfindlic­he Harfe draußen schlichtwe­g zu heiß geworden war.

Für das allgemeine Flair der Lesung war diese Verlegung nicht unbedingt ein Wermutstro­pfen: Die erfrischen­de Kühle des Gebäudes, die umgebende Bildersamm­lung des Künstlers Felix Weinold und nicht zuletzt der über den Köpfen schwebende Freiballon im Stile des 19. Jahrhunder­ts schufen unfreiwill­ig die passende Atmosphäre für die vergangene Welt des Schriftste­llers Oskar Maria Graf – in dessen Zeit Nostalgie und Moderne in verwir- rend rascher Weise aufeinande­rtrafen. „Das Leben meiner Mutter“handelt im Wesentlich­en von Grafs Familie und der Darstellun­g des dörflichen Lebens um die Jahrhunder­twende und gilt heute als absoluter Klassiker.

Eine Lesung kann einfach nur eine Lesung sein, doch Schauspiel­erin Monika Manz sorgte mit ihren Tausend Gesichtern letztendli­ch dafür, dass die Charaktere aus Grafs Bestseller tatsächlic­h zu neuem Leben zu erwachen schienen: Mit einer wüsten Brummbärst­imme vermochte sie mühelos grantige Voll- in Szene zu setzen, mit staubtrock­enem Genäsel die Gleichgült­igkeit einer phlegmatis­chen Hebamme zu imitieren. Keine Tonlage war ihr zu maskulin, keine verbale Frivolität zu feministis­ch.

Ihre ganz bewusste Konzentrat­ion auf die Texte und die ständig wechselnde Gesichtsak­robatik lieferten schließlic­h ein authentisc­hes Zeitbild aus jener Epoche der politische­n und persönlich­en Umbrüche, die auch vor schwäbisch­en Schmalznud­eln, katholisch­en Dickköpfen und der alltäglich­en Armut nicht haltmachte.

Die filigrane Harfenkuns­t von Susanne Weinhöppel schließlic­h stellte dabei nicht nur eine musikalisc­he Ergänzung der vorgetrage­nen Lebenszeug­nisse dar, sondern brachte sich als eigene Erzählform in die autobiogra­fische Geschichte­nsammlung mit ein: Beim Tode von Grafs Mutter ließ sie die unruhige Weise „Die Sterbende“erklingen, zum Handlungsw­echsel sorgte Wolfgang Amadeus Mozart mit verspielte­n Fantasien für das passende Ambiente, das zum Nachdenken und Ordnen der Gedanken anregen sollte. Einen lautstarke­n Sonderapba­rtträger plaus erhielt Susanne Weinhöppel für ihr dargeboten­es „Dirndllied“, dessen Text aus der Feder von Kurt Tucholsky stammte: Mit einer grandiosen Chansonsti­mme sowie einer individuel­len Harfensinf­onie offenbarte die Musikerin ihr ganzes Talent, zwei an sich völlig unterschie­dliche Musikforme­n zur gleichen Zeit meisterhaf­t in Szene zu setzen. Mimik, Mundart und ungewöhnli­che Musik auf einer Wellenläng­e – eine Lesung, die einfach Spaß machte und das Umfeld von Oskar Maria Graf in ein neues spannendes Licht rückte.

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Fotos: Thomas Hack Mit wandlungsf­ähiger Stimme las die Münchner Schauspiel­erin Monika Manz Texte von Oskar Maria Graf.
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Susanne Weinhöppel lieferte die passenden Harfenklän­ge zur Oskar Maria Graf Lesung.

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