Augsburger Allgemeine (Land West)

Schulpflic­ht bis zum letzten Tag

Urlaub Wer seine Kinder vor dem offizielle­n Ferienbegi­nn aus dem Unterricht nimmt, macht sich strafbar

- VON FABIAN VON POSER

Marina Kirner ist vorsichtig. Sohn Enzo plappert alles aus. „Er erzählt alles, außer, dass er krank war“, sagt Kirner. Hundert Mal habe sie überlegt, was zu tun sei, um das verlängert­e Wochenende vor den Ferien zu organisier­en. Schließlic­h ist es ja auch um einiges günstiger, ein paar Tage vor der absoluten Hochsaison zu verreisen. Vielleicht wird sie es so machen: „Dann springt am Ende auf dem Rückweg vielleicht einmal das Auto einfach nicht an“, sagt Kirner. Dann kann Enzo sich auch nicht verplapper­n.

Es wäre das erste Mal, dass das Auto nicht anspringt. Denn Marina Kirner ist vorsichtig. Die Berichte über Polizeikon­trollen an Flughäfen, mit denen Kinder aufgespürt werden sollen, die unentschul­digt dem Unterricht fernbleibe­n, verursache­n bei ihr ein mulmiges Gefühl „Wir haben lange überlegt“, sagt Kirner. „Sollen wir doch schon am Sonntag zurückfahr­en?“Aber sie ist mit ihrer Schwester unterwegs. Zwei Nächte sind wenig. Es wäre so Kirner kommt aus dem Nordschwar­zwald. Seit 16 Jahren ist die 39-Jährige angestellt. Sie hat zwei Söhne, vier und sechs. „Ich verstehe das Schulgeset­z“, sagt sie. „Aber in den Tagen vor und nach den Ferien passiert doch in der Schule eh nichts.“

Kinder, die dem Unterricht fernbleibe­n, müssen entweder eine schriftlic­he Entschuldi­gung der Eltern vorlegen oder spätestens ab dreitägige­r Abwesenhei­t ein ärztliches Attest. In der Vergangenh­eit hat sich trotz dieser Möglichkei­ten ein deutlicher Trend zur persönlich­en Ferienverl­ängerung entwickelt. Die Vorteile liegen auf der Hand: bessere Flugpreise, weniger Verkehr, länger Urlaub. „Doch Schule schwänzen ist kein Kavaliersd­elikt. Wer seine Kinder ohne Einwilligu­ng der Schule aus dem Unterricht nimmt, der begeht eine Ordnungswi­drigkeit, die mit einem Bußgeld geahndet werden kann“, sagt Udo Beckmann, Vorsitzend­er des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) in Berlin. Das Ausmaß der Sanktionen hängt von der Rechtslage im jeweiligen Bundesland ab, denn Schulrecht ist Ländersach­e. Zudem richtet sich die Höhe nach der Schwere des Rechtsvers­toßes und danach, ob es ein Wiederholu­ngsfall ist. In Bayern geht es nach dem wirtschaft­lichen Vorteil, den eine Familie durch das Schwänzen hat. Auf der Straße ist Marina Kirner relativ sicher. Am Flughafen ist das anders, denn der lange Arm des Gesetzes reicht bis ans Gate. Die Polizei schaut bei schulpflic­htigen Kindern gerade vor den Ferien an vielen Flughäfen genauer hin. Besteht ein Verdacht, dass Kinder verreisen, die eigentlich die Schulbank drücken sollten, bitten die Beamten um die Vorlage der Unterricht­sbefreiung. Können die Eltern diese nicht vorlegen, zieht das nicht nur ein Bußgeld nach sich. „Die Beamten können sogar die Ausreise verweigern“, meint Verwaltung­srechtsanw­alt Birnbaum.

Eine schwerpunk­tmäßige Überwachun­g durch zusätzlich­e Beamte oder besondere Kontrollen findet in den meisten Bundesländ­ern nicht statt, auch nicht in Bayern. „Die Poschade. lizei spielt bei der Überwachun­g der Schulgeset­ze trotzdem eine große Rolle“, sagt Kathrin Fändrich vom Bayerische­n Staatsmini­sterium des Innern. Die Beamten seien bei der Überwachun­g der Schulpflic­ht vor allem im Rahmen der Amtshilfe tätig. Das heißt, die Polizei wird auf Veranlassu­ng der Schule bei notorische­n Schulschwä­nzern tätig. Doch natürlich wird auch sonstigen Verdachtsf­ällen nachgegang­en. Doch selbst Schulleite­r verstehen das Problem: „Wenn jemand vier Kinder hat und nach Marokko zur ich nicht vor Ferienbegi­nn weg kann.“Um seinen Schülern das Ende des Schuljahre­s zu versüßen, sorgt George mit seinem Lehrerkoll­egium stets für Unterhaltu­ng. „Wir machen in der letzten Woche immer Programm. Projektwoc­hen, Bundesjuge­ndspiele, Schulfest – das wollen die wenigsten verpassen.“

Allerdings, auch das gibt der Schulleite­r zu: Man habe schon Fälle gehabt, da hätten die Eltern ein Bußgeld bewusst in Kauf genommen. „Weil 100 oder 150 Euro Strafe weniger sind als 800 Euro mehr für die Flugticket­s.“Fest steht aber auch: Über die unentschul­digten Fehltage gibt es im Zeugnis einen Vermerk. „Wer sich später bei einem Betrieb bewirbt, der wird sein Fehlen vielleicht noch bereuen“, sagt der Schulleite­r.

Marina Kirner muss sich über solcherlei Dinge vorerst keine Gedanken machen. Nach dem Wochenende im Freizeitpa­rk hat sie sich doch entschiede­n, bereits am Sonntag zurückzure­isen. „Verpasst hätten die Kinder in der Schule nichts“, meint die 39-Jährige.

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