Augsburger Allgemeine (Land West)
„Satte Einkommenssteigerung“bei Lidl
Wirtschaft Der Discounter vereinheitlicht seine Tarifstruktur. Ab wann die Beschäftigten in dem Logistikzentrum Graben mehr Geld erhalten und ob dieser Schritt Auswirkungen auf den Arbeitskampf bei Amazon hat
Graben
Die Stimmung bei den Beschäftigten im Lidl-Logistikzentrum in Graben ist gut, sehr gut sogar. Kein Wunder, denn am Freitagmittag überbrachte Geschäftsführer Stephan Mangold in einer eigens anberaumten Betriebsversammlung eine gute Nachricht für die Belegschaft. Lidl, ein Tochterunternehmen der Schwarz-Gruppe, vereinheitlicht seine Tarifstruktur: Das Unternehmen wechselt vom Tarifvertrag „Logistik“zum „Einzelhandel“.
Für die Beschäftigten bedeutet das mehr Geld. Thomas Gürlebeck von der Gewerkschaft Verdi spricht von einer „satten Einkommenssteigerung“. Er rechnet vor, dass der Lohn um 20 bis 30 Prozent ansteige – der genaue Anstieg hänge von der Schichtarbeit ab. Von diesem Tarifwechsel profitieren aber nicht nur die rund 130 Beschäftigten in Graben, sondern deutschlandweit rund 3300 Angestellte in 20 regionalen Lagerlogistikzentren. Wie Lidl mitteilt, erfolge der Tarifwechsel im Interesse der Mitarbeiter: „Mit dem Wechsel wollen wir gleiche Standards für Filialmitarbeiter sowie für die Mitarbeiter, die in den Lagergesellschaften für die Filialbelieferung verantwortlich sind, sicherstellen“, sagt Marin Dokozic, Geschäftsleitungsvorsitzender Lidl Deutschland.
In den vergangenen zwei Monaten wurde am Standort Graben immer wieder für einen Tarifwechsel und mehr Lohn gestreikt. Gürlebeck spricht von einer „herausragenden Erfolgsgeschichte“, die von Graben ausgegangen sei. In knapp der Hälfte der 39 deutschen Lidl-Lagerlogistikzentren wurde bereits nach dem besser bezahlten Einzelhandelstarifvertrag bezahlt – unter anderem in Eggolsheim in Franken. Diese unterschiedlichen Löhne führten laut Gürlebeck zu Irritationen in der Belegschaft. Er habe sich auf eine längere Auseinandersetzung mit Lidl eingestellt, nimmt die vorzeitige Einigung aber gerne an.
Christian Layer, Betriebsratsvorsitzender am Lidl-Logistikzentrum in Graben, bezeichnete den Tarifwechsel als „einzig richtige Entscheidung des Unternehmens für ganz Deutschland“. Er bebei richtet im Gespräch mit unserer Zeitung, dass die Bezahlung nach dem Einzelhandelstarifvertrag bereits ab dem 1. August dieses Jahres erfolge. Das wurde der Belegschaft bei der Betriebsversammlung mitgeteilt. Wann der neue Vertrag komplett angewandt wird, stehe dagegen noch nicht fest. Lidl schreibt in einer Presseerklärung lediglich, dass der Wechsel „sukzessive zum nächstmöglichen Termin“erfolge. Gürlebeck interpretiert dies so, dass eine hundertprozentige Umstellung spätestens zum 1. Januar 2018 erfolge. Deshalb möchte er in den nächsten Tagen Gespräche mit Geschäftsführer Stephan Mangold führen.
Während sich die Beschäftigten Lidl in Graben freuen können, gibt es nur wenige hundert Meter entfernt neidische Blicke. Im Logistikzentrum des Online-Riesen Amazon wird für denselben Tarif schon deutlich länger gestreikt. Dieser Arbeitskampf hat bereits im Dezember 2013 begonnen. In den vergangenen fast vier Jahren gab es laut Verdi-Vertreter Gürlebeck mindestens 70 Streiktage, eine Einigung im Tarifstreit ist aber noch immer nicht in Sicht.
Doch Gürlebeck gibt den Kampf nicht auf: „Der Erfolg richtet sich nach der Stärke bei einem Streik.“Er hofft auf eine Sensibilisierung der Angestellten und darauf, dass sich in Zukunft mehr Menschen bei einem Streik beteiligen werden. Denn dann würden auch die „Entscheider“von Amazon in Seattle darauf aufmerksam – und irgendwann reagieren müssen.
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