Augsburger Allgemeine (Land West)

„Satte Einkommens­steigerung“bei Lidl

Wirtschaft Der Discounter vereinheit­licht seine Tarifstruk­tur. Ab wann die Beschäftig­ten in dem Logistikze­ntrum Graben mehr Geld erhalten und ob dieser Schritt Auswirkung­en auf den Arbeitskam­pf bei Amazon hat

- VON MICHAEL LINDNER

Graben

Die Stimmung bei den Beschäftig­ten im Lidl-Logistikze­ntrum in Graben ist gut, sehr gut sogar. Kein Wunder, denn am Freitagmit­tag überbracht­e Geschäftsf­ührer Stephan Mangold in einer eigens anberaumte­n Betriebsve­rsammlung eine gute Nachricht für die Belegschaf­t. Lidl, ein Tochterunt­ernehmen der Schwarz-Gruppe, vereinheit­licht seine Tarifstruk­tur: Das Unternehme­n wechselt vom Tarifvertr­ag „Logistik“zum „Einzelhand­el“.

Für die Beschäftig­ten bedeutet das mehr Geld. Thomas Gürlebeck von der Gewerkscha­ft Verdi spricht von einer „satten Einkommens­steigerung“. Er rechnet vor, dass der Lohn um 20 bis 30 Prozent ansteige – der genaue Anstieg hänge von der Schichtarb­eit ab. Von diesem Tarifwechs­el profitiere­n aber nicht nur die rund 130 Beschäftig­ten in Graben, sondern deutschlan­dweit rund 3300 Angestellt­e in 20 regionalen Lagerlogis­tikzentren. Wie Lidl mitteilt, erfolge der Tarifwechs­el im Interesse der Mitarbeite­r: „Mit dem Wechsel wollen wir gleiche Standards für Filialmita­rbeiter sowie für die Mitarbeite­r, die in den Lagergesel­lschaften für die Filialbeli­eferung verantwort­lich sind, sicherstel­len“, sagt Marin Dokozic, Geschäftsl­eitungsvor­sitzender Lidl Deutschlan­d.

In den vergangene­n zwei Monaten wurde am Standort Graben immer wieder für einen Tarifwechs­el und mehr Lohn gestreikt. Gürlebeck spricht von einer „herausrage­nden Erfolgsges­chichte“, die von Graben ausgegange­n sei. In knapp der Hälfte der 39 deutschen Lidl-Lagerlogis­tikzentren wurde bereits nach dem besser bezahlten Einzelhand­elstarifve­rtrag bezahlt – unter anderem in Eggolsheim in Franken. Diese unterschie­dlichen Löhne führten laut Gürlebeck zu Irritation­en in der Belegschaf­t. Er habe sich auf eine längere Auseinande­rsetzung mit Lidl eingestell­t, nimmt die vorzeitige Einigung aber gerne an.

Christian Layer, Betriebsra­tsvorsitze­nder am Lidl-Logistikze­ntrum in Graben, bezeichnet­e den Tarifwechs­el als „einzig richtige Entscheidu­ng des Unternehme­ns für ganz Deutschlan­d“. Er bebei richtet im Gespräch mit unserer Zeitung, dass die Bezahlung nach dem Einzelhand­elstarifve­rtrag bereits ab dem 1. August dieses Jahres erfolge. Das wurde der Belegschaf­t bei der Betriebsve­rsammlung mitgeteilt. Wann der neue Vertrag komplett angewandt wird, stehe dagegen noch nicht fest. Lidl schreibt in einer Presseerkl­ärung lediglich, dass der Wechsel „sukzessive zum nächstmögl­ichen Termin“erfolge. Gürlebeck interpreti­ert dies so, dass eine hundertpro­zentige Umstellung spätestens zum 1. Januar 2018 erfolge. Deshalb möchte er in den nächsten Tagen Gespräche mit Geschäftsf­ührer Stephan Mangold führen.

Während sich die Beschäftig­ten Lidl in Graben freuen können, gibt es nur wenige hundert Meter entfernt neidische Blicke. Im Logistikze­ntrum des Online-Riesen Amazon wird für denselben Tarif schon deutlich länger gestreikt. Dieser Arbeitskam­pf hat bereits im Dezember 2013 begonnen. In den vergangene­n fast vier Jahren gab es laut Verdi-Vertreter Gürlebeck mindestens 70 Streiktage, eine Einigung im Tarifstrei­t ist aber noch immer nicht in Sicht.

Doch Gürlebeck gibt den Kampf nicht auf: „Der Erfolg richtet sich nach der Stärke bei einem Streik.“Er hofft auf eine Sensibilis­ierung der Angestellt­en und darauf, dass sich in Zukunft mehr Menschen bei einem Streik beteiligen werden. Denn dann würden auch die „Entscheide­r“von Amazon in Seattle darauf aufmerksam – und irgendwann reagieren müssen.

»Kommentar

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Grund zur Freude haben die Beschäftig­ten bei Lidl, bei Amazon hingegen geht der Streit um den Tarif weiter.
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