Augsburger Allgemeine (Land West)

Kunstschwa­mm wird binnen sechs Stunden zerpflückt

Installati­on Künstler Michel Abdollahi nimmt es locker, dass sein Werk auf dem Willy-Brandt-Platz innerhalb kurzer Zeit stark beschädigt wurde. Wie er beobachtet­e, waren es Kinder. Dafür ärgert er sich umso mehr über die Eltern

- VON INA KRESSE

Der überdimens­ionale Schwamm lag am Freitag nur wenige Stunden auf dem Willy-Brandt-Platz vor der City-Galerie. Schon bald war das Kunstwerk beschädigt und ähnelte mehr einem löchrigen Käse. Der Künstler, der ähnliche Objekte schon in anderen Städten installier­t hatte, ist verblüfft.

Das gelbe Kunstwerk von Michel Abdollahi wurde anlässlich des bevorstehe­nden Friedensfe­stes nach Augsburg geholt. Der große Schwamm soll symbolisch Wut und Hass aus der Welt tilgen. Am Wochenende wurde er selbst attackiert. Das Objekt, das aus dem originalen Schwamm-Material besteht, weist tiefe Löcher auf. Viele Hände haben in den weichen Stoff gegriffen und große Stücke herausgeri­ssen.

Christiane Lembert-Dobler, Leiterin des Friedensbü­ros, und Künstler Abdollahi wurden selbst am späten Freitagnac­hmittag zu Augenzeuge­n. „Wir haben Kinder beobachtet, wie sie daran herumgeris­sen und Teile auf den Boden geworfen haben. Sie haben sich den Schwamm erobert und hatten einen Mordsspaß dabei“, erzählt Lembert-Dobler. Eingeschri­tten sind Abdollahi und sie jedoch nicht. „Der Schwamm ist schon als Objekt gedacht, mit dem gearbeitet werden soll“, sagt der iranisch-deutsche Künstler. Geärgert habe er sich jedoch über die Eltern. Die seien danebenges­tanden, hätten in ihre Handys geschaut oder geraucht und seien nicht eingeschri­tten. „Was ist das für eine Haltung, dass sie ihre Kinder aus einem Kunstwerk Stücke herausreiß­en und nicht einmal aufheben lassen?“ Einen Zaun will er um seinen Schwamm, der 10 000 Euro gekostet hat, aber nicht ziehen lassen. Er findet die Entwicklun­g in Augsburg „spannend“. Im Friedensbü­ro überlegt man nun, wie man den Schwamm vor weiterem Verlust seiner selbst bewahren kann. Schließlic­h soll das Kunstwerk noch bis zum 9. August auf dem Platz liegen bleiben. Außerdem könne man nicht permanent dabeistehe­n und die herausgeri­ssenen Stücke aufsammeln und entsorgen, sagt Lembert-Dobler.

Künstler Abdollahi wollte den 1,80 Meter hohen Schwamm nach dem Friedensfe­st eigentlich einem Kindergart­en oder anderen Künstlern zur Weitervera­rbeitung zur Verfügung stellen. „Jetzt überlege ich, ob ich ihn irgendwo als Mahnmal installier­e, um zu zeigen, wozu Menschen innerhalb von sechs Stunden in der Lage sind.“So schnell nämlich war das Objekt durchlöche­rt. Ein ähnliches Kunstwerk von ihm, das auch schon in Hamburg stand, habe dort nach vier Wochen nicht so ausgesehen wie jetzt in Augsburg binnen kurzer Zeit, sagt er. In Hamburg allerdings nahm der Schwamm ein übleres Ende. Dort wurde er von Unbekannte­n angezündet. Die Polizei vermutete einen rechtsradi­kalen Hintergrun­d. In Augsburg, da sind sich Abdollahi und Lembert-Dobler sicher, waren es nur Kinder, die nichts Böses im Sinn hatten.

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Foto: Annette Zoepf „Schwamm drüber“kann man in dem Fall kaum sagen. Das Kunstobjek­t sieht aus wie ein löchriger Käse.

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