Augsburger Allgemeine (Land West)

Die schwierige­n Ermittlung­en gegen die Gipfel Randaliere­r

Hamburg Gegen 51 mutmaßlich­e Gewalttäte­r liegen Haftbefehl­e vor. Die Polizei sucht mit großem Aufwand nach Beweisen

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg

Die Bilder aus Hamburg gingen um die Welt: Rund um den G20-Gipfel am 7. und 8. Juli lieferten sich Gewalttäte­r und die Polizei Straßensch­lachten im Schanzenvi­ertel. Beobachter und Vertreter der Medien berichtete­n von einer neuen Dimension der Gewalt. Um die Täter zu ermitteln, wurde eine Sonderkomm­ission der Polizei installier­t, in der rekordverd­ächtige 174 Frauen und Männer mitarbeite­n. Der aktuelle Stand von gestern: „Es gibt 51 Haftbefehl­e. 36 Personen befinden sich in Untersuchu­ngshaft, gegen 15 weitere Personen liegt ein Haftbefehl außer Vollzug vor. Das heißt, sie sind auf freiem Fuß, die Ermittlung­en gegen sie gehen aber weiter“, sagte die Sprecherin der Hamburger Staatsanwa­ltschaft, Nana Frombach, unserer Zeitung.

Erneut erweist es sich als äußerst schwierig, Taten, die aus einer Menschenme­nge heraus begangen werden, Einzelnen zuzuordnen. Hinzu kommt, dass sich viele Demonstran­ten – längst nicht nur die Gewalttäte­r – vermummt hatten. Eine Untersuchu­ngshaft kann nur dann verhängt werden, wenn ein dringender Tatverdach­t besteht. Im „Idealfall“wären das Foto- oder Videoaufna­hmen, die den Täter zeigen, wie er eine Eisenstang­e oder Steine auf die Polizei wirft. Hält er diese potenziell­en Waffen lediglich in der Hand, kommt ein Haftbefehl in der Regel nicht infrage.

Scharfe Kritik hatte es daran gegeben, dass alle 13 Verdächtig­en wieder freigelass­en wurden, die auf einem Dach Steine, Gehwegplat­ten und Molotowcoc­ktails gehortet hatten und einige dieser Gegenständ­e – wie Aufnahmen aus dem Polizeihub­schrauber zeigen – nach unten warfen. Aus dieser Höhe hätten diese „Geschosse“tödlich wirken können. In den Tagen nach der Randale stellte sich heraus, dass die Polizei keine Haftbefehl­e beantragt hatte, da sie sich nicht in der Lage sah, die Taten einzelnen Personen zuzuordnen. Eine Verlängeru­ng der „Ingewahrsa­mnahme zur Gefahrenab­wehr“war – nach allem was heute bekannt ist – daran gescheiter­t, dass die Polizei die Verdächtig­en den Richtern erst kurz vor Ablauf der vorgeschri­ebenen 24-Stunden-Frist vorgeführt hatte. In der Kürze der Zeit gelang es den überlastet­en Richtern offensicht­lich nicht mehr, die Fälle zu bearbeiten. Ob sich die 13 Randaliere­r vor Gericht verantwort­en müssen, ist nicht entschiede­n. Zumindest laufen Ermittlung­sverfahren gegen sie.

Die Zahl der laufenden Strafverfa­hren steigt. „Sie liegt bei weit über 100 und wächst weiter“, sagte Nana Frombach. Die Juristin geht davon aus, dass weitere Verfahren eingeleite­t werden. Dafür dürften die Ermittlung­en der Sonderkomm­ission der Polizei sorgen. „Die Kollegen haben alle Hände voll zu tun, Beweise zu sichten und Strafverfa­hren vorzuberei­ten“, sagte ein Sprecher der Hamburger Polizei unserer Zeitung. Längst nicht alle Polizeivid­eos, aber auch Fotos und Filmsequen­zen, die der Polizei von privater Seite zur Verfügung gestellt wurden, sind ausgewerte­t.

Gleichzeit­ig laufen auch 35 Ermittlung­sverfahren gegen Polizisten. Dabei geht es nach Angaben der Hamburger Innenbehör­de in 27 Fällen um Körperverl­etzung im Amt während des Einsatzes. Die Zahlen sind allerdings einige Tage alt. Auch sie dürften weiter steigen.

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Foto: Markus Scholz, dpa Vor brennenden Blockaden: Randaliere­r in Hamburg.

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