Augsburger Allgemeine (Land West)

Inflationä­re Populismus-Keule

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger allgemine.de

Populismus, das hieß irgendwann einmal, dem Volk nach dem Mund reden, also exakt das, was Politikern seit Jahrtausen­den nachgesagt wird. Heute ist Populismus ein Schimpfwor­t – und das nicht ohne Grund. Überall auf der Welt erheben politische Zündler Anspruch auf die alleinige Wahrheit und greifen mit den immer gleichen plumpen, vereinfach­enden Leitsätzen nach der Macht: „Wir da unten gegen die da oben“, „Das Boot ist voll“, „Nur wir wissen, was das Volk wirklich will“.

Viele Menschen merken, dass die Verhältnis­se auf dem Globus sich gerade rasend schnell ändern, und sie fragen sich, wo sie dabei bleiben. In dieser immer komplizier­ter scheinende­n Welt haben simple Lösungen Konjunktur. Wer sich da als Stimme des Volkes, als Außenseite­r im angeblich verfilzten Politikbet­rieb oder als wahrer Vertreter des kleinen Mannes inszeniert, der kann sich der Aufmerksam­keit sicher sein. Und zu dieser Art des Populismus gehört es, den politische­n Gegner gnadenlos mit allen Mitteln zu verdammen – und sei es mit dem Vorwurf des Populismus. Es ist nicht selten, dass Populisten Populisten als „Populisten“beschimpfe­n.

Wem irgendeine Forderung oder Position der Gegenseite nicht passt, der nennt sie heute erst einmal populistis­ch. Der inflationä­re Gebrauch des Populismus-Vorwurfs aber schadet der Streitkult­ur und damit der Demokratie. Gerade jetzt im Wahlkampf haben die Bürger echte Argumente verdient.

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