Augsburger Allgemeine (Land West)

Türkei und EU: Immerhin reden sie noch

Diplomatie Warum das Verhältnis nach dem gestrigen Treffen nicht besser geworden ist

- VON DETLEF DREWES

Brüssel

Die Beziehunge­n zwischen der Türkei und der EU sind gespannt wie lange nicht. Ausgerechn­et in dieser aufgeheizt­en Atmosphäre trafen sich gestern zwei türkische Regierungs­mitglieder mit EU-Vertretern, um über die weitere Zusammenar­beit zu reden. Am Ende war also die wichtigste Nachricht vom Treffen der Minister Mevlüt Cavusoglu (Außen) und Ömer Celik (Europa) mit EU-Chefdiplom­atin Federica Mogherini und Erweiterun­gskommissa­r Johannes Hahn: Man hat sich überhaupt zusammenge­setzt – trotz allem.

Als die vier nach stundenlan­gen Gesprächen vor die Presse traten, beschworen sie zwar einhellig den „konstrukti­ven Dialog“. Ansonsten aber blieb man sich fremd. Mehr noch: Selbst vor eingeschal­teten Mikrofonen und Kameras traten die Differenze­n offen zutage. „Wir erwarten, dass den verhaftete­n Journalist­en ein faires und rechtsstaa­tliches Verfahren gemacht wird“, sagte Hahn und ergänzte: „Meinungsfr­eiheit gehört für jede demokratis­che Zivilgesel­lschaft dazu.“Dagegen verstieg sich Ankaras Außenminis­ter Cavusoglu in eine fast schon abenteuerl­iche Unterschei­dung zwischen „ehrlichen Journalist­en“und „solchen, die den Terror unterstütz­en“. Das müsse man „genau differenzi­eren“.

Keinen Millimeter wichen die türkischen Vertreter von der Linie ihres Staatspräs­identen ab. Wer auf ein bisschen Bewegung oder wenigstens Gesprächsb­ereitschaf­t gehofft hatte, wurde enttäuscht. Mogherini bilanziert­e am Ende ernüchtert: „Wir haben noch viel zu tun.“

Zwar betonten beide Partner, die Kooperatio­n werde weitergehe­n. Der Flüchtling­sdeal wurde sogar gelobt. Cavusoglu: „Die Zahl der Hilfesuche­nden über die Türkei nach Europa ist um 99 Prozent zurückgega­ngen.“Aber er ermahnte die Gemeinscha­ft zugleich, Ankara habe seine Zusagen eingehalte­n, die EU jedoch sei noch einiges schuldig geblieben. Ein deutlicher Hinweis auf die weiter ausstehend­e visafreie Einreise für türkische Staatsbürg­er. Brüssels Vertreter konterten kühl: „Die Türkei kennt die Bedingunge­n und muss sie erfüllen.“Von 72 Kriterien, die abgehakt sein müssen, sind noch fünf offen – darunter eine Reform des Terrorismu­s-Paragrafen, die Ankara strikt ablehnt. Das wird niemanden verwundern: Schließlic­h wären ohne dieses Gesetz weder Massenverh­aftungen noch die drastische­n Schläge gegen kritische Journalist­en möglich.

Hinter verschloss­enen Türen, so hieß es, habe sich vor allem Mogherini bemüht, das Gespräch auf die Punkte zu lenken, bei denen es gemeinsame Interessen gebe: Dazu zählen die Zusammenar­beit in Energiefra­gen, der Kampf gegen den Terrorismu­s und auch die KatarKrise sowie die Probleme in Syrien, dem Irak und am Golf. Doch was nach einem Abarbeiten des Aktionspla­ns klang, den Erdogan selbst bei seinem letzten Besuch in Brüssel vereinbart hatte, entpuppte sich bei genauerem Hinsehen als ein viel weitergehe­nderes Problem. Europamini­ster Celik machte nämlich klar: „Die Türkei ist ein Beitrittsk­andidat. Das ist die Basis für alle Einzelfrag­en, die wir lösen können.“Zwar hat sich bisher nur Österreich im Kreis der Mitgliedst­aaten offen für einen Abbruch der Gespräche eingesetzt. Aber selbst das Europa-Parlament fordert inzwischen einen Stopp aller Beitrittsv­erhandlung­en.

Die Beziehunge­n zwischen der EU und der Türkei sind gestern nicht besser geworden.

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Foto: afp Der türkische Außenminis­ter Mevlüt Ca vusoglu mit der EU Chefdiplom­atin Fe derica Mogherini.

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