Augsburger Allgemeine (Land West)
Scheiden tut weh
Es ist kein Zufall, dass in der Bundesrepublik eine Nationalhymne gesungen wird, die ausdrücklich die Einigkeit beschwört. Das lässt sich auch als Reaktion auf die jahrhundertelange Kleinstaaterei verstehen, die Deutschland zu einem Flickenteppich an Klein- und Kleinstherrschaften gemacht hat, der im Vergleich zu anderen Nationen erst spät vereint wurde. Dieser Geist lebt im deutschen Föderalismus fort. Vor allem in Bayern gehört das Mia-san-mia-Denken mit seinem Hauch von Separatismus zur Folklore.
So wundert es einen nicht unbedingt, dass die Große Kreisstadt Neu-Ulm vom Spaltpilz befallen ist und – so wie es aussieht – danach strebt, aus dem Landkreis Neu-Ulm auszuscheren. Das wird im Umland nicht gerade mit Begeisterung aufgenommen, denn seit der Gebietsreform 1972 war Neu-Ulm das starke Herz dieser Gebietskörperschaft am Westrand des Freistaats.
Heute wollen die Stadträte grundsätzlich darüber entscheiden, ob die Stadt aus dem Kreis ausscheiden soll. Stark genug wäre sie, um im Chor der Kreisfreien mit kräftiger Stimme mitzusingen. Das will sie sich notfalls einiges kosten lassen, denn die finanziellen Folgen der Scheidung lassen sich teilweise schwer beziffern. Bis alles entflochten wäre und die Verwaltungen von Stadt und Kreis die Folgen der Trennung aufgearbeitet hätten, würden etliche harte Jahre ins Land ziehen, in denen wohl auch manches Porzellan zu Bruch ginge. Scheiden tut weh.