Augsburger Allgemeine (Land West)

Füttern oder nicht?

Tiere Experten streiten seit Langem, ob Vogelfreun­de im Sommer Futter im Garten anbieten sollen. In einem sind sie sich einig

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg

Was für ein schönes Schauspiel, wenn sie alle kommen und es ihnen offensicht­lich schmeckt. Doch die Freude des Vogelfreun­des ist allein noch kein Grund, Meise, Fink und Co. mit Futter auch im Sommer auf den Balkon und in den Garten zu locken. Zumal um den Nutzen der Ganzjahres­fütterung unter Experten seit Langem gestritten wird. Doch jetzt schwenkt auch der Landesbund für Vogelschut­z in Bayern, kurz LBV, um und kritisiert eine Sommerfütt­erung nicht mehr. Voraussetz­ung: Es wird richtig gemacht.

Markus Erlwein vom LBV spricht von einem „dynamische­n Thema“. Ein Thema also, das viele bewegt und zu dem viel geforscht wird. Neue wissenscha­ftliche Erkenntnis­se hätten ergeben, dass durch die Sommerfütt­erung zwar keine Vogelbestä­nde gerettet werden könnten, dass sie aber auch nicht schade. „Es spricht nichts dagegen“, sagt Erlwein. Allerdings gilt es einiges zu beachten: So müsse es ein hochwertig­es Futter sein, das dafür geeignet ist. Vogelfreun­den rät Erlwein, vor allem auch auf die Qualität der Fette zu achten. Keinesfall­s dürften sowohl im Sommer wie im Winter Nahrungsre­ste des Menschen verfüttert werden.

Im Sommer sei es darüber hinaus ratsam, getrocknet­e Mehlwürmer zuzufütter­n, da viele Vögel einen erhöhten Eiweißbeda­rf für die Aufzucht der Jungen haben. „Ganz wichtig ist die Hygiene“, betont Erlwein. Futterquel­len sind oft Brutstätte­n für Krankheits­erreger und müssen daher regelmäßig gereinigt werden – nur mit heißem Wasser, nie mit Reinigungs­mitteln. Und die Tiere brauchen Wasser. Gerade bei Hitze muss das Wasser der Tränke täglich ausgetausc­ht werden. Können sich die Tiere im Sommer eventuell überfresse­n? „Nein“, sagt Erlwein, „die Wildvögel gewöhnen sich nicht an das Futter und sie werden auch nicht übergewich­tig.“

Sommerfütt­erung ist also in Ordnung, „viel, viel wichtiger aber ist die naturnahe Gestaltung des Gartens“, betont Erlwein – „und der Verzicht auf Gift“. Im Garten sollten Hobbygärtn­er „Mut zur Wildnis“haben und sich informiere­n, welche Blumen Nahrung für Insekten wie Bienen bieten. Der Trend zur Versteiner­ung sei kontraprod­uktiv. Er nehme nicht nur Vögeln den Lebensraum, sondern etwa auch Igeln und Kröten. Wer „nur“einen Balkon besitzt, kann ebenfalls mit der richtigen Bepflanzun­g Nahrungsqu­ellen für Insekten und damit für Vögel schaffen.

Der Artenschwu­nd ist, wie Erlwein ausführt, vor allem Folge der zunehmende­n Flächenver­siegelung und der intensiven Landwirtsc­haft. Die Schaffung und der Erhalt naturnaher Lebensräum­e für Wildvögel sei daher wesentlich wichtiger als die Ganzjahres­fütterung. Zumal bei der Sommerfütt­erung – vom bedrohten Spatz abgesehen – vor allem die Arten profitiere­n, die noch nicht bedroht sind: etwa Meisen, Finken, Rotkehlche­n. Auch fürchten Kritiker der Ganzjahres­fütterung, dass die Natur verstärkt zum zoologisch­en Ereignis wird, bei dem der Mensch für Futter sorgt, die natürliche­n Lebensräum­e der Tiere aber weiter vernichtet werden.

Aber es geht auch beides: sich für den Erhalt der Natur einsetzen und sich freuen, wenn viele Vögel die Futterstel­le im Garten oder am Balkon auch im Sommer bevölkern.

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Foto: Roessler, dpa Immer wieder schön anzusehen: eine Meise am Knödel.

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