Augsburger Allgemeine (Land West)

So geht’s Bobingen zu

Geschichte Ein simpler Satz wird vielfach gedeutet, ist kriminalis­tisch geklärt und durch einen Burschen verewigt / Serie (42)

- VON PITT SCHURIAN UND ANJA FISCHER

Bobingen

Direkt an der großen Kreuzung am Kirchplatz in Bobingen sitzt in Stein gehauen ein Bürschlein, schaut verschmitz­t und streicht einen Finger unter der Nase durch. Die Sage vom Bobinger Büble ist hier bis heute bekannt. Seinen Satz „So geht’s Bobingen zu!“kann man öfter hören – egal, ob damit auf Eigenheite­n der Bobinger oder am Stammtisch auf Entscheidu­ngen im Rathaus angespielt wird. Der Satz geht zurück auf Erzählunge­n, die aus der Zeit um 1800 stammen und um 1970 Anlass für kriminalis­tische Nachforsch­ungen waren. Rätsel und Missverstä­ndnisse verursacht­e allein die Deutung des Satzes: Ist es in Verbindung mit der Fingerbewe­gung eine Richtungsw­eisung oder eine Kommentier­ung?

Die Antwort: Es steckt mehr dahinter. So fand es um 1970 der Bobinger Polizist und spätere Kripochef von Bremen, Dr. Herbert Schäfer, heraus. Dass die Sage später umgedeutet und zum moralische­n Fingerzeig benutzt wurde, ist hingegen eine Erkenntnis des früheren Kreisheima­tpflegers Prof. Walter Pötzl. Und es fanden sich noch mehr rätselhaft­e Spuren, die bis zu den berühmten Sieben Schwaben führen, aber nicht belegbar sind.

Der Kern der Geschichte geht von einem moralische­n Vergehen eines jungen Burschen aus Bobingen aus. Er soll eben um 1800 mit einer Magd ein uneheliche­s Kind gezeugt haben, was damals ein Fall für die Justiz war. Der junge Bobinger wollte einer Strafe entgegen und suchte Rat bei einem weit gereisten, erfahrenen Mann in Augsburg. Der riet dem Angeklagte­n, sich einfältig zu stellen und auf jede Frage des Richters nur zu antworten: „So geht’s Bobingen zu!“Gleichzeit­ig solle er sich mit der Hand unter der Nase entlangfah­ren. Diese Rolle könne der Bobinger am besten spielen und durchhalte­n.

Der Bursche eilte nach Hause, übte Spruch und Geste, bis sie ihm zur zweiten Natur wurden: „So geht’s Bobingen zu!“Vor Gericht spielte er seine Rolle so vollendet, dass der Richter voller Mitleid für den armen Tölpel diesen freisprach. Sogleich eilte der erleichter­t und froh zu seinem Augsburger Ratgeber und berichtete vom Erfolg seines Bauernthea­ters. Nun aber forderte der Winkeladvo­kat unvorherge­sehen ein Honorar und das wollte der sparsame Bobinger nicht zahlen. Deshalb probierte er das bewährte Rezept gleich wieder aus, stellte sich dumm: „So geht’s Bobingen zu!“Und wischte sich triumphier­end die Nase. So hatte ein kleiner Gauner einen anderen Gauner geprellt.

Aus späterer Zeit stammt eine erweiterte Version. Demnach konnten beide den Mund nicht halten und bald sprach jedermann über den doppelten Streich. So erfuhr auch der Richter, dass er getäuscht worden war, und ließ beide verhaften, um sie zum Tode am Galgen zu verurteile­n. Dem Vernehmen nach sollen beide umgehend nach Bannacker zur Hinrichtun­g gefahren worden sein. So ging es für beide nun „Bobingen zu“, aber in anderer Weise... Ganz so kann es nicht gewesen sein, fand knapp 200 Jahre später Pötzl heraus: In Bannacker stand nie ein Galgen. Wenn, dann könnte Burgwalden gemeint sein. Vermutlich aber sei das böse Ende später aus moralische­r Überlegung hinzugedic­htet worden, um den verwerflic­hen Anlass des ersten Prozesses in Erinnerung zu rufen und das Büble nicht ungeschore­n davonkomme­n zu lassen.

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Foto: Susanne Rummel Das Bobinger Büble wurde einst von der Justiz verfolgt, 1966 wurde ihm ein Denkmal gesetzt.
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