Augsburger Allgemeine (Land West)

Tumult begleitet Prozess um einen jungen Syrer

Gericht Verurteilt­er 23-Jähriger wirft mit Schuh nach Staatsanwa­lt und spukt auf Richterban­k

- VON PETER RICHTER

Im Schwurgeri­chtssaal des Augsburger Landgerich­ts ist es gestern abermals zu einem Tumult gekommen. Ein junger Syrer, gerade zu einer hohen Haftstrafe verurteilt, sprang erregt auf, warf einen Schuh in Richtung des Staatsanwa­lts und spuckte mehrmals verächtlic­h auf die Richterban­k. Mehrere Justizwach­tmeister und ein Polizeibea­mter mussten den tobenden Mann überwältig­en und ihm Handschell­en anlegen. Der 23 Jahre alte Angeklagte zeigte sich davon unbeeindru­ckt. Mehrfach musste Richterin Susanne Riedel-Mitterwies­er ihre Ausführung­en zum Urteil unterbrech­en, da sie vom Angeklagte­n lautstark unterbroch­en wurde. In dem Schwurgeri­chtssaal hatte sich vor einigen Monaten schon ein ähnlicher Zwischenfa­ll abgespielt. Ein Asylbewerb­er aus Afrika, wegen versuchten Totschlags verurteilt, hatte während der Urteilsver­kündung einen Stuhl auf die Richter geworfen.

In dem gestern nach fünf Verhandlun­gstagen beendeten Prozess hatten nie Zweifel an der Schuld des Syrers bestanden. Auch, weil der seit 2015 vor dem Bürgerkrie­g geflüchtet­e 23-Jährige gleich zu Beginn über seinen Verteidige­r ein Geständnis abgelegt hatte. Rätselhaft war nur sein Motiv, da er dazu schwieg. Die Anklage unterstell­te religiöse Gründe. Das Verbrechen war vorigen November in einer Asylunterk­unft in Hurlach im oberbayeri­schen Landkreis Landsberg verübt worden. Der junge Syrer hatte morgens mit einem Küchenmess­er auf seinen schlafende­n Landsmann eingestoch­en und ihn am Hals lebensgefä­hrlich verletzt. Es entspann sich ein beinahe tödlicher Zweikampf. Dem Überfallen­en gelang es, das Messer an sich zu bringen und den Angreifer durch einen Stich in den Bauch schwer zu verletzen. Im Prozess schilderte der 38 Jahre alte Syrer, was ihm der Täter während des Kampfes zugerufen hatte: „Ich werde dich töten, dich enthaupten, du Schwein, du Druside.“Der Zeuge gehört der Gemeinscha­ft der Drusen an, einer religiösen Minderheit in Syrien, die sich im 11. Jahrhunder­t von den Schiiten abgespalte­n hat. Mitbewohne­r, durch die Hilferufe alarmiert, beendeten den Kampf.

Staatsanwa­lt Michael Nißl rückte in seinem Plädoyer den Angeklagte­n in die Nähe radikaler Islamisten. Als Indiz wertete der Ankläger Videoaufna­hmen. „Ein „Spaßvideo“, ließ der Angeklagte durch seinen Verteidige­r Werner Ruisinger dem Gericht ausrichten. Das Gericht überzeugte er damit nicht. Die 8. Strafkamme­r verurteilt­e den Syrer zu einer Freiheitss­trafe von zwölf Jahren und neun Monaten. Mit dem Strafmaß lag sie über dem Staatsanwa­lt, der zwölf Jahre beantragt hatte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany