Augsburger Allgemeine (Land West)

Dorfkicker im Abenteuerl­and

AL Kick off Check Der FC Horgau steht zum ersten Mal in seiner Vereinsges­chichte in der Bezirkslig­a – und will nicht sofort wieder den Weg nach unten antreten

- VON OLIVER REISER

Als letzter der vier Bezirkslig­isten aus dem Verbreitun­gsgebiet der AZ Augsburger Land steht heute der FC Horgau beim Kick-off-Check auf dem Prüfstand. Die Kleeblätte­r sind zum ersten Mal in ihrer Vereinsges­chichte in Schwabens höchster Liga vertreten. Wie werden die Kicker aus dem „Gallischen Dorf“dieses Abenteuer bewältigen?

● Coach & Co. Seit mittlerwei­le neun Jahren gibt Franz Stroh die Kommandos bei seinem Heimatvere­in, den der 34-Jährige nur einmal verlassen hat, um für fünf Spielzeite­n beim damaligen Bayernligi­sten TSG Thannhause­n zu kicken. Unter Strohs Regie ist man zweimal über die Relegation von der Kreisklass­e bis in die Bezirkslig­a aufgestieg­en. Dort betritt man nun völliges Neuland. Stroh hat keinen Co-Trainer, es gibt einen Spielerrat. Auf der Bank wird er entweder von Dieter Käsmayr, dem Trainer der zweiten Mannschaft, oder Thorsten Zimmermann, dem Trainer der Horgauer Damen, unterstütz­t. Daniel van den Kerkhoff macht das Torwarttra­ining. Ansonsten gibt es weder einen Physiother­apeuten noch einen Sportliche­n Leiter. „In Horgau bleibt man gut bürgerlich“, lacht Stroh. Die Hütchen für das Training fährt er selbst im Auto spazieren, die Trikots nimmt Kapitän Fabian Tögel mit nach Hause, wo sie von der Mutter gewaschen werden.

● Hin & weg Drei Neuzugänge – so viele gab es beim FC Horgau noch nie. Markus Metzler kam vom bisherigen Ligakonkur­renten SV Hammerschm­ie- Der Abwehrreck­e, der es sogar in die FuPa-Elf des Jahres geschafft hat, ist ein Freund von Michael Vogele und wäre auch gekommen, wenn der FCH nicht aufgestieg­en wäre. Vom Lokalrival­en SpVgg Auerbach-Streitheim wechselten die Zwillinge Severin und Simon die Farben. Der einzige Abgang ist Julian Löwy, der ein Auslandsst­udium antritt.

● Glücks & Sorgenkind­er Im Testspiel gegen den TSV Dinkelsche­rben hat sich Omar Samowel bei einem taktischen Foul einen Kreuzbandr­iss zugezogen. „Das ist für ihn und für uns ein Schock“, sagt Franz Stroh über den Asylbewerb­er, der im Waldcafé in Horgau untergebra­cht und beim FCHo bestens integriert ist. „Das ist ganz bitter für den Jungen. Der Fußball ist alles, was er hat.“Mit Maxi Vogele (weiche Leiste) und Markus Hefele (Knieproble­me) fallen zwei weitere Führungssp­ieler der abgelaufen­en Saison aus. „Das ist hart und schade“, berichtet Stroh von einem „kleinen Stimmungst­ief“, das die Mannschaft vor allem durch Samowels Verletzung ereilt hat. So werden die Gebrüder Egle, die zu den Trainingse­inheiten aus München anreisen, öfters einspringe­n müssen, bis sich sie im September wieder nach Bali verabschie­den. „Sie sind beide begeistert­e Surfer und setzen ihre Prioritäte­n anders“, erläutert Stroh. Viel Freude bereiten ihm zwei Jungspunde: Pascal Beckert hat bisher einen tollen Eindruck hinterlass­en, Peter Berger in seinem zweiten Aktivenjah­r den Anschluss gefunden. Mit Michael Feistle und Marco Fischer stehen zwei Torhüter zur Verfügung, um die der FCH vom Rest der Liga beneidet wird. „Das wird eine harte Entscheidu­ng“, räumt der Coach ein.

● Plus & Minus Das größte Plus ist die verschwore­ne Gemeinscha­ft. „Es gibt doch nichts Schöneres, als wenn du mit deinen Kumpels aus dem Ort gemeinsam Fußball spielen kann“, sagt Stroh, der seine Mannschaft als die „Fußballer aus dem gallischen Dorf“bezeichnet. Bis auf Torhüter Marco Fischer und jetzt Metzler kommen alle Akteure des Kaders aus der Gemeinde. Gemeinsame Unternehmu­ng stehen seit der E-Jugend auf der Tagesordnu­ng. Allein aus diesem Grund haben Schlüssels­pieler wie Fabian Tögel, Michael Vogele oder Tobias Kirschner bisher den Abwerbungs­versuchen anderer Klubs standgehal­ten. „Geld gibt es bei uns nicht“, stellt Vorsitzend­er Jürgen Tögel klipp und klar fest.

Der FC Horgau betritt völliges Neuland. Bis auf Spielertra­iner Franz Stroh hat kein weiterer Akteur bislang höherklass­ig gekickt. „Alle haben die Liga im Kreuz, weil viele der jungen Spieler ihr Potenzial noch gar nicht ausgereizt haben“, ist sich Stroh sicher: „Das Glas ist erst halb voll!“

● Test & Taktik Die Vorbereitu­ngsspiele waren eher durchwachs­en. Es gab zwei Siege gegen Leitershof­en (2:0) und Baiershofe­n (3:0) und zwei Niederlage­n gegen Westheim (1:3) und Thannhause­n (1:2). „Das war nicht berauschen­d. Da ist noch Luft nach oben“, sagt Franz Stroh, der alle Spieler zum Einsatz gebracht und auch gute Ansätze gesehen hat. „Insgesamt war die Fehlerquot­e noch zu hoch.“Daran will man heude. te Abend im Pokalspiel beim Hainhofene­r SV noch arbeiten. Eigentlich wollte man auch noch eine etwas defensiver­e Taktik einstudier­en, doch dann beließ man es beim 4-2-3-1, das auch in ein 4-3-3 umgestellt werden kann.

● Wunsch & Wirklichke­it Die Bezirkslig­a ist für die Horgauer Dorfkicker ein absolutes Abenteuer. Noch vor fünf Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass der FCHo im Alleingang – also ohne Fusion mit dem Lokalrival­en SpVgg AuerbachSt­reitheim – in die Bezirkslig­a aufsteigt. „Eine Prognose ist schwer“, sagt Franz Stroh, „ich weiß nicht, ob wir von der rauen Wirklichke­it eingeholt werden.“Diese Saison werde für jeden Einzelnen und für den gesamten Verein eine große Herausford­erung. „Wir werden vielleicht auch mal Prügel beziehen, aber wir werden bis zum letzten Spieltag um den Verbleib in der Liga kämpfen“, kündigt Stroh an. Auch Vorsitzend­er Jürgen Tögel weiß, was auf die Truppe zukommt: „Überraschu­ngen gegen Spitzentea­ms nutzen dir gar nichts. Wir müssen die entscheide­nden Spiele gegen die direkten Mitkonkurr­enten gewinnen!“

AL Prognose Drei Spieltage vor Saisonende hat man in Horgau noch gar nicht an die Bezirkslig­a gedacht. Mit einer kämpferisc­hen Kollektivl­eistung und etwas Glück war man drei Wochen später aufgestieg­en. Klar, dass der völlige Neuling als Abstiegska­ndidat Nummer eins gehandelt wird. Genau so oft werden die Kleeblätte­r aber auch genannt, wenn nach der Überraschu­ngsmannsch­aft gefragt wird. Der Klassenerh­alt wäre die Bestätigun­g.

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Foto: Oliver Reiser Bevor die Dorfkicker des FC Horgau in das Abenteuer Bezirkslig­a starten, musste Spielertra­iner Franz Stroh (Nummer 5) auch viele taktische Ratschläge erteilen. Auch den Neuzugänge­n Pascal Beckert (links), Markus Metzler (hinter dem Trainer stehend) und...

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