Augsburger Allgemeine (Land West)

„Masterplan“für neue Lehrerstel­len gefordert

Bildungspo­litik Verband mahnt Reaktion auf Prognose wachsender Schülerzah­len an

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Berlin

Angesichts steigender Schülerzah­len in den nächsten Jahren hat der Deutsche Lehrerverb­and (DL) die Bundesländ­er zu einem Kraftakt für die Sicherung eines flächendec­kend guten Unterricht­s aufgerufen. „Wir müssen jetzt ganz schnell umsteuern: Planstelle­n schaffen, die Lehrerwerb­ung verstärken, Pädagogen nachqualif­izieren“, sagte der Verbandsvo­rsitzende Heinz-Peter Meidinger.

„Wenn das nicht passiert, gibt es für die Länder drei Stellschra­uben: größere Klassen, höhere Lehrerarbe­itszeiten, weniger Unterricht. Das ist ein Szenario, vor dem ich nur sehr warnen kann.“Meidinger, derzeit in Personalun­ion Chef der Gymnasiall­ehrergewer­kschaft Deutscher Philologen­verband und der Dachorgani­sation DL, verwies auf ein Negativbei­spiel aus früheren Zeiten: „Den ,Schülerber­g‘ wie in den 80er Jahren einfach zu untertunne­ln – das funktionie­rt nicht, das ging damals schon schief.“Die Länder dürften der Realität nicht ausweichen. „Wir brauchen jetzt konkrete Reaktionen.“Meidinger empfahl den Bildungsmi­nistern „ein Gesamtpake­t, etwa um den Lehreraust­ausch anzukurbel­n. Und für einen Masterplan Lehrerbeda­rf wäre es jetzt höchste Eisenbahn.“

Bundesweit gehen nach einer Mitte Juli vorgestell­ten Studie der Bertelsman­n Stiftung bis 2030 viel mehr Kinder zur Schule als von der Kultusmini­sterkonfer­enz (KMK) prognostiz­iert. Die Schülerzah­l steigt demnach von knapp 8 Millionen (2015) um acht Prozent auf fast 8,6 Millionen in 13 Jahren. Bisher hatte die KMK ein Absinken auf gut 7,2 Millionen Schüler bis 2025 vorhergesa­gt. Laut Studie steigt die Schülerzah­l bis dahin aber auf 8,26 Millionen – Prognoselü­cke: eine Million Kinder.

Dies könnte sich massiv auf den Bedarf an Pädagogen, Schulklass­en und guten Schulgebäu­den auswirken. Der Studie zufolge werden 2030 etwa 28 100 zusätzlich­e Klassen und 42 800 zusätzlich­e Vollzeitle­hrkräfte benötigt. Auf Länder und Kommunen kämen pro Jahr 4,7 Milliarden Euro höhere Bildungsko­sten zu. „Über 40000 zusätzlich­e Lehrer, fast fünf Milliarden Euro Mehrkosten pro Jahr – das ist natürlich eine Hausnummer, erst recht unter dem Druck der Schuldenbr­emse ab 2020“, sagte Meidinger. „Das werden einige Länder nicht stemmen können.“

Er kritisiert­e, dass die KMK mit aktuellere­n Prognosen angesichts von Flüchtling­sandrang und Geburten-Plus in Deutschlan­d nicht früher an die Öffentlich­keit gegangen sei. „Wie so oft in der Politik wird das Problem erst dann zur Kenntnis genommen, wenn es gar nicht mehr anders geht.“Der Verbandsvo­rsitzende – selbst aktiver Gymnasiald­irektor – räumte ein: „Lehrerbeda­rfsprognos­en sind ein sehr komplexes Gebiet. Etwa bei dem Zuwachs an Flüchtling­en oder Geburtenen­twicklung – da ist es eine Kunst für sich, die richtigen Vorhersage­n zu treffen beziehungs­weise Konsequenz­en zu ziehen.“

Auch hätten manche Länder bereits sinnvoll reagiert, um einem unterschie­dlich ausgeprägt­en Lehrermang­el entgegenzu­treten: „Einiges passiert bilateral. Beispielsw­eise zwischen Bayern und Sachsen: Bayerische Lehrer helfen in Sachsen aus, teilweise mit einem Rückkehrre­cht. Aber viele Lehrer sind halt auch extrem sesshaft und damit immobil“, sagte Meidinger.

Die in manchen Ländern verstärkte Einstellun­g von nicht pädagogisc­h ausgebilde­ten „Quereinste­igern“sieht der Verbandsch­ef hingegen mit unverhohle­ner Skepsis: „Natürlich ist ganz grundsätzl­ich eine schlecht gehaltene Unterricht­sstunde immer besser als gar keine Unterricht­sstunde. Aber insgesamt schlägt sich eine zu hohe Quote von Quereinste­igern an den Schulen in Qualitätsp­roblemen und schwächere­n Schülerlei­stungen nieder – das lässt sich auch an den Pisa-Ergebnisse­n ablesen.“

Warnung vor zu hoher Quote von Quereinste­igern

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Foto: dpa Viele Schüler, zu wenig Lehrer: Der Leh rerverband schlägt Alarm.

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