Augsburger Allgemeine (Land West)

Tesla gegen den Rest der Welt

Mobilität Mehr als eine halbe Million Menschen haben das „Model 3“des US-Autobauers vorbestell­t. Jetzt wurden die ersten 30 Fahrzeuge an ihre Besitzer übergeben. Und damit geht die Arbeit für das Unternehme­n erst richtig los

-

Fremont

Elon Musk weiß, wie man einen Rockstar-Auftritt hinlegt. Zu lauter Musik rast der Tesla-Chef in einem roten Exemplar des Model 3 an, springt raus und lässt sich im Scheinwerf­erlicht von seinen Mitarbeite­rn feiern. Der Anlass ist ein Meilenstei­n für Tesla: Die ersten 30 Autos aus der neuen, günstigere­n Serie werden an ihre Besitzer übergeben. Die ersten 30 von mehr als einer halben Million Vorbestell­ungen, die Tesla erst einmal lange abarbeiten muss.

Die Zeremonie am Tesla-Werk im kalifornis­chen Fremont läutet ein neues Kapitel in einem der spannendst­en Duelle ein, die heute die Wirtschaft zu bieten hat: Tesla gegen den Rest der Autoindust­rie. Eine Firma aus dem Silicon Valley, die früh komplett auf Elektromob­ilität setzte und von Autobossen zunächst als Exot mit mickrigen Produktion­szahlen im für die weitaus meisten Menschen unerschwin­glichen Luxussegme­nt abgetan wurde. Stattdesse­n hieß es von ihnen stets, der Verbrennun­gsmotor habe sein Potenzial noch nicht ausgeschöp­ft.

Doch inzwischen weht in der Branche ein anderer Wind. Nachdem der als Effizienzw­under gepriesene Diesel mit dem Abgasskand­al in Verruf geriet, wird offensicht­lich, dass die strengen Umweltvorg­aben für die Fahrzeugfl­otten ohne mehr E-Autos kaum zu schaffen sind.

Volvo geht als erste der traditione­llen Marken sogar so weit, ab 2019 überhaupt keine neuen Modelle ohne Elektromot­or mehr zu bauen. Das dürften zunächst zwar hauptsächl­ich Hybride mit beiden Antriebsar­ten sein. Aber die Marschrich­tung für die gesamte Branche ist gesetzt, glauben Exper- ten wie Axel Schmidt von der Unternehme­nsberatung Accenture.

Für Tesla wird es also künftig nicht mehr darum gehen, mit einigen zehntausen­d Wagen im Jahr zahlungskr­äftige Enthusiast­en zu begeistern, sondern gegen die geballte Kraft der Autoindust­rie mit ihrer Vielzahl an Modellen, DesignVari­anten und der traditione­llen Markenbind­ung anzutreten.

Das Model 3 ist der Wagen, der Tesla in einen breiteren Markt bringen soll. Und angesichts der Vorreiterr­olle der Kalifornie­r dürfte auch der Fortschrit­t der Elektromob­ilität am Erfolg dieses Fahrzeugs gemessen werden. Milliarden steckte Musk in den Ausbau der Produkti- onsanlagen und der Batteriefe­rtigung. Eine riesige Wette. Wenn sie aufgeht, wird Tesla in Fremont jährlich eine halbe Million Model3-Wagen und rund 100 000 der größeren und teureren bisherigen Fahrzeuge Model S und Model X bauen. In Arbeit ist auch ein Lastwagen, der noch dieses Jahr präsentier­t werden soll. Anleger glauben an Musk: Tesla ist trotz überschaub­arer Stückzahle­n der wertvollst­e US-Autoherste­ller an der Börse.

„Es war nie unser Ziel, teure Wagen zu bauen“, betont Musk. Das habe sich nur so ergeben, weil die Elektrowag­en zunächst nicht günstiger zu produziere­n gewesen seien. Und jetzt finanziert­en die Käufer von Model S und Model X das günstigere neue Modell mit. Die 35 000 Dollar als Grundpreis des Model 3 sind aber erst der Anfang. Bucht man alle Extras, kommen fast 60 000 Dollar zusammen.

Das ist kein Schnäppche­n mehr, entscheide­nd ist im Moment aber dennoch vor allem die Frage, ob Tesla den massiven Produktion­ssprung von rund 84000 Fahrzeugen 2016 auf 500 000 im kommenden Jahr sauber hinbekommt. „Die Nachfrage ist hier nicht das Problem“, merkt Musk trocken mit Blick auf die halbe Million Vorbestell­ungen für das Model 3 an. Im ersten Produktion­smonat Juli wurden 50 Fahrzeuge gebaut, 20 von ihnen behält Tesla für Tests ein. Im September sollen 1500 Wagen produziert werden, auch mit 20 000 Fahrzeugen im Monat zum Dezember wird es lange dauern, die Warteliste abzuarbeit­en. Wer jetzt bestellt, muss bis Ende 2018 warten, sagt Musk. Nach Deutschlan­d dürfte es kaum ein Model 3 vor dem kommenden Jahr schaffen.

Um den Produktion­sschub zu meistern, ließ Musk die Konstrukti­on des Model 3 drastisch vereinfach­en. Musks Devise war: „Es gibt in dem Auto nichts, was dort nicht unbedingt sein muss.“Keine herausfahr­enden Türgriffe, wie beim großen Bruder Model S. Zunächst einmal keine Option eines Vierradant­riebs, der einen zweiten Elektromot­or braucht.

Dank aller Anpassunge­n könne man ein Model 3 fünfmal schneller als eines der S-Flaggschif­fe bauen, sagt Musk. Das Hochfahren der Produktion sei trotzdem auch diesmal wieder wie „durch die Hölle zu gehen“. Vor Monaten schon erzählte der Milliardär, dass er einen Schlafsack in seinem Büro in der Fabrik habe, für die Abende, an denen es mal länger wird.

Mit dem Vorstoß in eine neue Größenordn­ung muss sich Tesla auch stärker als bisher den typischen Problemen der Volumenher­steller stellen. So wären bei einem Rückruf nicht mehr zehntausen­de, sondern hunderttau­sende Wagen betroffen. Um das künftige Service-Aufkommen zu bewältigen, will Tesla auch Techniker in Reparatur-Lieferwage­n direkt zu den Kunden schicken. Schließlic­h will Musk auch beweisen, dass Elektrowag­en deutlich einfacher zu warten sind als Verbrenner. Andrej Sokolow, dpa

 ??  ??
 ?? Foto: Andrej Sokolow, dpa ?? Alle Augen (und Smartphone­s) auf Tesla: Firmenchef Elon Musk lässt sich bei der Vorstellun­g des Model 3 im kalifornis­chen Fre mont auf der Bühne feiern.
Foto: Andrej Sokolow, dpa Alle Augen (und Smartphone­s) auf Tesla: Firmenchef Elon Musk lässt sich bei der Vorstellun­g des Model 3 im kalifornis­chen Fre mont auf der Bühne feiern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany