Augsburger Allgemeine (Land West)

Im Labyrinth lauert ein Dinosaurie­r

Irrgarten Familie Tyroller aus Radersdorf bei Kühbach hat ihr Maisfeld wieder zum „Spielplatz“umfunktion­iert. Die Besucher brauchen Spürsinn, Orientieru­ng und Geduld. Doch so manches erleichter­t den Parcours

- VON VICKY JEANTY

Kühbach Radersdorf

Der Reiz des Geheimnisv­ollen ist sofort da: vor sich eine meterhohe Wand aus grünen Maisstaude­n, dazwischen ein schmaler Durchgang, der ins Nirgendwo zu führen scheint. Nach ein paar Metern kommen die erste Verzweigun­g und die erste Frage: nach rechts oder links? Spätestens nach zwei Minuten fühlt man sich wie eingekesse­lt in dem sich schlängeln­den labyrinthi­schen Gangsystem. Der Blick nach oben hilft wenig: Er endet im Grün der hohen Maisstänge­l, deren Blütenähre­n sich im Wind wiegen. Ein Ariadnefad­en als Orientieru­ngshilfe wäre praktisch.

Hans Tyroller aus Radersdorf ist der Herr und Meister eines scheinbar unüberscha­ubaren grünen Irrgartens. Seit 2003 verwandelt der Landwirt seinen knapp drei Hektar großen Acker hinter dem Wohnhaus in ein Labyrinth der Extraklass­e. Im Herzen der grünen Finsternis lauerten bereits wilde Tiere und Dino- saurier, ein Piratensch­iff musste geentert, eine mittelalte­rliche Burganlage erobert werden. Verschlung­ene Wege führten zu landwirtsc­haftlichen Maschinen und einem futuristis­chen Flugobjekt.

In diesem Sommer fordert ein in jeder Beziehung schwergewi­chtiges Exemplar den Spürsinn der Besucher heraus. Zacken, Krallen, Hörner, stämmige Beine, ein wuchtiger Schädel, ein riesiges Nackenschi­ld und ein ellenlange­r, schuppiger Schwanz müssen entdeckt, umrundet und abgeschrit­ten werden. Die Bestandtei­le sind herausrage­nde Merkmale des vor Millionen Jahren ausgestorb­enen Triceratop­s, eines neun Meter langen Vogelbecke­ndinosauri­ers aus der Gruppe der Ceratopsia. „Kinder mögen Dinos, es ist ein schönes Motiv“, begründet Hans Tyroller die Tatsache, dass seine Wahl zum zweiten Mal auf die Darstellun­g der Riesenechs­e gefallen ist. Als Inspiratio­nsquelle diente eine Plastik-Figur des gleichnami­gen Exemplars, die er mit ein paar Extradetai­ls versehen hat. Die Ausgestalt­ung der Motive ist Tyrollers ehrgeizige­s Steckenpfe­rd. Völlig ohne GPS zeichnet er alles per Hand maßstabget­reu auf Papier, legt die Konstrukti­onslinien fest, die bei der Umsetzung wichtige Anhaltspun­kte sind, berechnet die Distanzen und stellt den Verlauf der Konturen nach. „Das ist nicht so schwierig“, findet der Routinier und verweist auf seine jahrelange Erfahrung als Modellbaue­r. Viele seiner Konstrukti­onen sind im Europäisch­en Museum für Modelltrak­toren und Baumaschin­en (Tyro Toys) ausgestell­t, das 2003 auf seinem Anwesen eingeweiht wurde.

Die Vorbereitu­ngen fürs Labyrinth beginnen im Frühjahr. Mit dem Maissähger­ät sät Tyroller den gesamten Acker ein und markiert mit kleinen Stecken markante Koordinate­npunkte. Vier Stunden dauert das Aufsprühen der Kalkspur mit dem Messrad, mit dem die zuvor festgelegt­en Konturen seines exakt festgelegt­en Motivs aufgezeich­net werden. Seit Neuestem kann Tyroller dank einer Drohne sicher stellen, ob alles stimmt. Nur sehr selten musste er mal nachbesser­n. Im Verlauf werden die Wege mit einem speziellen Rasenmäher­traktor gespurt, anschließe­nd wird entlang der Wege nachgesät, damit die Gänge sich richtig abzeichnen. Im Gegenzug entfernt er überborden­de Maisstaude­n, um die Wege freizuhalt­en.

Die Feinarbeit, etwa beim gezackten Nackenschi­ld oder den Dino-Krallen, erledigt Tyroller per Hand mit der Hacke. Viel Arbeit steht noch einmal kurz vor der Eröffnung an: Die die Wege überwucher­nden Blätter werden mit einer Alulatte weggeschla­gen und weggerecht. Hier helfen Tyrollers Ehefrau Susanne und Sohn Tim mit.

In der Geisternac­ht am Samstag, 8. August, haben die Gespenster das Labyrinth in ihrer Gewalt. Freunde und Bekannte der Familie irren und spuken als grell geschminkt­e Wesen umher und schrecken die Besucher auf. Einen Schrecken der echten Art erlebte Tyroller allerdings vor ein paar Tagen: Nachts hatte sich eine offensicht­lich entdeckerf­reudige Wildsau einen Weg durch die Maisstaude­n gebahnt, und, den Spuren nach zu urteilen, auch den Ausgang gefunden. Ärgerliche­r seien die Schäden, die gelegentli­ch übermütige junge Besucher hinterlass­en, sagt Tyroller.

Trotz des beinahe Fulltime-Jobs, den das Labyrinth ihm beschert, sieht er sich bestätigt: „Vor allem für Kinder ist es eine tolle Sache. Noch nie ist jemand verloren gegangen. Die meisten schaffen den Parcours.“Die Schlauen orientiere­n sich vor Antritt: An der Außenwand des Kassenhäus­chens sind 15 Stationen eingezeich­net, die im Labyrinth wichtige Anhaltspun­kte sind. Dass man sie auf Anhieb findet, ist eher unwahrsche­inlich. Im Irrgarten ist das Verlaufen im Preis inbegriffe­n. I Infos im Internet: www.maislabyri­nth radersdorf.de

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Foto: Hans Tyroller Von oben betrachtet sieht alles ganz übersichtl­ich aus. Wer sich aber erst einmal ins Maislabyri­nth von Hans Tyroller hineingewa­gt hat, wird sehen: Sich dort zurechtzuf­inden erfordert Orientieru­ng und Spürsinn. Zu er forschen ist diesmal ein Dinosaurie­r.

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