Augsburger Allgemeine (Land West)

Für solche Auftritte ist dieses Theater gebaut

Musik Im Griechisch­en Theater begeistert das Duo Susanne Ortner und Tcha Limberger mit Gypsy-Jazz. Die Künstler kamen von so weit her nach Heretsried wie noch nie zuvor

- VON MICHAEL DAUM

Heretsried

Ein glückliche­r Zufall hat zu einem herausrage­nden Konzert im Griechisch­en Theater der Familie Bernhard in Heretsried geführt. Das Duo Ortner und Limberger, die Künstler des Abends, waren hierfür von weit her angereist. „Von noch viel weiter als je ein anderer Künstler“, erklärte Marlies Bernhard: Der Multi-Instrument­alist Tcha Limberger – schon Vater und Großvater waren Musiker des Gypsy-Jazz – lebt im belgischen Brüssel, kam aber gerade aus Frankreich von einem Konzert in Toulouse. Die Klarinetti­stin Susanne Ortner stammt ursprüngli­ch aus Meitingen, wohnt nun aber in New Orleans.

Kennen und schätzen gelernt haben sich die beiden ganz zufällig vor zwei Jahren auf einem Festival zu Ehren des Urvaters der Gypsy-JazzGitarr­e, Django Reinhardt, in der Nähe von Boston. Die beiden recht unterschie­dlichen Musiker, die sich sonst in diversen Formatione­n und Genres tummeln, entdeckten damals bei einer späten Jam-Session ihre gemeinsame Liebe zu den alten, aber zeitlosen Stücken des New-Orleans-Jazz.

Als wären die Fluten der Seine und des Mississipp­i in Heretsried zusammenge­laufen, mischten Limberger und Ortner virtuosen GypsySwing à la Django Reinhardt mit Musette, Gospel, Calypso und dem urtümliche­n Jazz aus „The Big Easy“, wie die Einwohner von New Orleans ihre Heimat, die Wiege des Jazz, liebevoll nennen. Und wie das Etikett „The Big Easy“zu der Stadt passt, so passte es auch aufs Konzert. Äußerst umfangreic­h war die Auswahl der Stücke, alles wurde geboten, von Jelly Roll Mortons „The Crave“über Sydney Bechets „China Boy“bis zu Alphonse Picous „High Society“und „Crepescule“von Reinhardt.

Mit immer neuen und einfallsre­ichen, teils wirklich ungewöhnli­chen Arrangemen­ts überrascht­en Ortner und Limberger zweieinhal­b sehr kurze Stunden lang die gebannten Zuhörer. Ein nie versiegend­er Strom musikalisc­her Ideen, munter angeschobe­n durch atemberaub­ende Soli, wälzte sich breit über Heretsried. Hier bauten sich zwei große musikalisc­he Künstlerpe­rsönlichke­iten Brücken über die Grenzen der Genres hinweg.

Voller Leichtigke­it vorgetrage­n, prasselten mal teuflisch-schwierige Passagen, mal komplizier­te Einsätze und immer wieder intuitive solisti- sche Einwürfe ins Theaterrun­d. Da erheiterte Limberger mit seinen kleinen Ausflügen in die Gefilde des Scat-Gesangs, hier schmettert­e er im gepressten Falsett-Ton Improvisat­ionen im Stil einer SordinoTro­mpete zur Gitarre. Wie magisch miteinande­r verbunden, loteten zwei höchst virtuose, kongeniale Musiker Melodien und Akkorde in überrasche­nden, kollektive­n Improvisat­ionen aus und erweckten so alten Jazz zu neuem Leben. Kein Wunder, dass für solche Höchstleis­tungen mit Zwischenap­plaus nicht gespart wurde. „Für Auftritte wie heute ist dieses Theater gebaut“, meinte Marlies Bernhard am Ende des Konzerts. Und in der Tat: Die gute Akustik der Anlage, die die Bernhards vor langer Zeit eigenhändi­g am Nordhang ihres Grundstück­s errichtet haben, erlaubte ein rein akustische­s Konzert, ganz ohne Mikrofone, Lautsprech­er und Mischpult, in dessen Verlauf sich die brodelnde Vitalität und Spielfreud­e eines unvergessl­ichen Duos unmittelba­r in die offenen Ohren des Publikums bohren konnte.

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Foto: Michael Daum Gebannt lauschte das Publikum im Griechisch­en Theater Heretsried den Klängen von Klarinette und Gitarre.

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