Augsburger Allgemeine (Land West)
Wird der Diesel zum Ladenhüter?
Verkehr Die Kunden im Landkreis sind verunsichert und haben viele Fragen an die Händler. Wie viele Diesel-Autos in der Region zugelassen sind
Die Kunden im Landkreis Augsburg sind verunsichert und haben viele Fragen an die Händler.
Landkreis Augsburg
Seit drei Wochen versucht Sezer Aslan aus Gersthofen mit einer Anzeige seinen alten Diesel zu verkaufen. Bisher hat er noch nicht viele Anfragen bekommen. Ist der Diesel zum Ladenhüter geworden? Der Gersthofer glaubt, dass eher das Alter seines Wagens der Hauptgrund für die Zurückhaltung der Käufer ist. Schlagzeilen über zu hohe Schadstoffwerte und Kartellabsprachen wirken sich aber durchaus im Landkreis Augsburg aus. Für Markus Höß, den Chef des Autohaus Höss in Dinkelscherben, bedeutet die Diskussion um die Diesel-Autos vor allem mehr Beratungsaufwand. „Die Kunden haben viele Fragen“, betont er.
Anders als für Städte wie Augsburg oder München gebe es speziell für den Landkreis Augsburg keine Untersuchungen zur Stickoxidbelastung, sagt ein Sprecher des Landesamts für Umwelt (LfU). Es gebe auch keine Messstationen an den Hauptstraßen zum Beispiel in Gersthofen oder Neusäß.
Generell ist die Luft belastet von Stickstoffoxid, der von neueren und älteren Dieselfahrzeugen ausgestoßen wird. Für die Belastung verantwortlich sind unter anderem Dieselfahrzeuge mit der Schadstoffklasse Euro-Fünf, die etwa 30 Prozent des Stickoxids in der Region verursachen. Euro-5-Diesel wurden teilweise noch bis August 2015 verkauft und im Landkreis sind etwa 21000 Fahrzeuge mit dieser Fahrzeugklasse unterwegs. Laut Herstellerangaben können nur etwa 50 Prozent der Autos mithilfe eines Softwareupdates auf geltende Standards nachgerüstet werden. Im Landkreis Augsburg würde das die Stickoxidbelastung allerdings nur um 9,5 Tonnen reduzieren, also um 7,61 Prozent. Zum Vergleich, auch in Stuttgart bringt eine Umrüstung nur wenig Linderung. Neun Prozent des gesamten Stickoxids könnten so vermieden werden.
Diesel mit der Klasse Euro 4 und niedriger wirken sich mehr aus als die neueren Modelle. Sie produzieren aktuellen Untersuchungen zufolge mehr als 64 Prozent des Stickoxids im Landkreis, also knapp 80 Tonnen. Das Problem: Es gibt keine Möglichkeiten, nachzurüsten. Allerdings sind die Schadstoffwerte der 12 000 Euro-4-Autos, die in der Region unterwegs sind, rechtlich gesehen in Ordnung. Das liegt allerdings nur daran, dass die Euronorm 4 deutlich höhere Werte zulässt, als die neueren Stufen.
Das bayerische Landesamt für Umwelt veröffentlichte schon im Dezember 2014 eine Studie, die auch für Euronorm-6-Diesel negative Ergebnisse präsentierte. Insgesamt seien die Stickoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen dieser Klasse „deutlich zu hoch“. Im Landkreis Augsburg waren bis Anfang 2017 etwa 7800 Euronorm-6-Fahrzeuge unterwegs. Seitdem sind laut Landratsamt noch einmal 2600 Fahrzeuge mit dieser Schadstoffklasse neu zugelassen worden.
Händler Markus Höß wünscht sich vor allem Klarheit. „Aktuell entstehen immer neue Unsicherheiten. Es braucht aber klare Richtlinien, nach denen man handeln kann“, sagt er. Für Höß und seine Mitarbeiter bedeutet der Dieselskandal vor allem mehr Beratung. Sowohl bei der Umrüstung, die das Autohaus als Vertragspartner von VW durchführen muss, als auch beim Neukauf hätten die Kunden viele Fragen, sagt Höß. Das drohende Fahrverbot sei immer wieder Teil dieser Gespräche. „Wir erörtern auch, dass der Diesel noch immer Vorteile hat, vor allem für Vielfahrer“, erklärt Höß. „Manchmal könnte es sogar günstiger sein, für die Fahrt in die Innenstadt ein Taxi oder die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen“, sagt er und fügt hinzu: „Dabei wägen wir Kosten gegen Nutzen ab.“
Auch der Gersthofer Sezer Aslan sieht noch immer die Vorteile eines Dieselfahrzeugs: „Ich musste früher für die Arbeit jeden Tag nach München fahren, da hat sich die Sparsamkeit des Wagens ausgezahlt“, sagt er. Obwohl er jetzt in Augsburg arbeiten wird, will er sich wieder ein Dieselfahrzeug kaufen. Deshalb hat er sich auch mit dem Thema Fahrverbot auseinandergesetzt. „Ich habe gelesen, dass es in Stuttgart nur zu bestimmten Zeiten verboten sein würde, in die Innenstadt zu fahren“, erklärt er, „deshalb mache ich mir da keine Gedanken.“Für den Gersthofer überwiegen aber weiter die Vorteile eines Diesel.
Händler Höß sieht derweil, dass Fahrzeuge, mit der Euro-5-Norm und älter, immer öfter auf den Höfen der Autohändler stehen bleiben. „Diese Fahrzeuge bereiten den Kunden durchaus Sorgen“, erklärt der Leiter des Autohauses.
Der Meitinger Bürgermeister Michael Higl kann den Unmut von denjenigen verstehen, die sich ein Dieselfahrzeug gekauft haben und nun mit den aktuellen Nachrichten konfrontiert werden. „Die Automobilindustrie muss wieder Boden gut machen“, ist er überzeugt und verweist gleichzeitig darauf, wie wichtig diese Branche für die Region ist. Allerdings bewertet Higl, der auch Kreisvorsitzender des bayerischen Gemeindetages ist, die Dieselproblematik als ein Randthema neben den großen Verkehrsproblemen.
Er wundert sich, wie viel Vehemenz man gerade über die Personenwagen spricht, während es noch die große Frage gibt, wie viele Güter von Lastwagen auf der Straße bewegt werden müssen. Daneben gebe es das große Thema „Mobilität in der Stadt“, angefangen von der Frage nach Parkplätzen über den öffentlichen Nahverkehr bis hin zur Einbindung des Fahrradverkehrs. Immerhin würde beispielsweise auch in Meitingen die Zahl der zugelassenen Autos ständig ansteigen.