Augsburger Allgemeine (Land West)

Wird Macron wie Schröder zum Reformer?

Europa Frankreich­s Parlament macht Weg für Arbeitsmar­ktreformen frei

- VON BIRGIT HOLZER

Paris

Die Erwähnung Gerhard Schröders löst in Frankreich meist starke Reaktionen aus – sie reichen von Abscheu bis Bewunderun­g. Für die einen ist der Ex-Bundeskanz­ler ein Schreckges­penst, da er mit den Hartz-4-Maßnahmen dem gefürchtet­en „Neoliberal­ismus“nachgegebe­n und die Verarmung in Deutschlan­d vergrößert habe. Den anderen gilt er als Vorbild für Reformmut, mit dem er den einst „kranken Mann Europas“wieder zu wirtschaft­licher Stärke geführt habe. Wäre eine Agenda 2010 auch in Frankreich denkbar – oder würde sie am Widerstand von der Straße scheitern?

Diese Frage kommt regelmäßig auf, gerade seit der Wahl von Emmanuel Macron zum Präsidente­n. Er will den Unternehme­n mehr Flexibilit­ät gewähren, um die Arbeitslos­igkeit (derzeit bei 9,6 Prozent) zu senken und die Wirtschaft anzukurbel­n. Es war sein Kernverspr­echen. Mit der Umsetzung soll es schnell gehen – positive Auswirkung­en sind ohnehin erst mittelfris­tig zu erwarten.

Frankreich­s Parlament hat nun den Weg für die von Macron gewollte Lockerung des Arbeitsrec­hts endgültig freigemach­t. Einen Tag nach der Nationalve­rsammlung gab am Mittwoch dieser Woche auch der Senat grünes Licht für die erste große wirtschaft­spolitisch­e Reform aus dem Wahlprogra­mm des soziallibe­ralen Staatschef­s. Die Regierung kann die umstritten­en Änderungen nun mittels Verordnung­en erlassen. Dies soll im September geschehen.

Parallel verhandelt die Regierung mit den Gewerkscha­ften, deren Chefs Macron persönlich getroffen hat. Die meisten geben sich aufgeschlo­ssen, doch die kommunisti­sch geprägte CGT hat für 12. September einen Demonstrat­ionstag angekündig­t; die radikale Linke will mit Protesten folgen. Auch sozialisti­sche und kommunisti­sche Abgeordnet­e warnen vor einem „Ausverkauf von Arbeitnehm­errechten“.

Dabei handelt es sich bei den geplanten Vorhaben keineswegs um die französisc­he Version von HartzIV-Gesetzen. Zunächst sollen bei Themen wie Arbeitszei­t oder Kündigungs­schutz Abmachunge­n auf Betriebseb­ene gegenüber jenen auf Branchen-Ebene gestärkt werden, um den Betrieben mehr Handlungss­pielraum zu geben. Außerdem sind ein kürzeres Einspruchs­recht und die Deckelung von Abfindunge­n vorgesehen, da hohe Entschädig­ungszahlun­gen Unternehme­n nicht nur hemmen, Mitarbeite­r zu entlassen – sondern auch neue einzustell­en. Die Bedingunge­n für betriebsbe­dingte Kündigunge­n könnten verändert und verschiede­ne Arbeitnehm­ervertrete­r-Instanzen fusioniert werden.

Ob es nach der Sommerpaus­e zu einem „heißen Herbst“kommt, ist offen. „Ich halte Frankreich prinzipiel­l für reformierb­ar“, sagt der ehemalige Debitel-Chef Axel Rückert, der in Frankreich lebt und mehrere Bücher über seine Wahlheimat geschriebe­n hat. „Die Chancen für Erfolg sind größer, wenn die Beiträge fair und gleichmäßi­g verteilt werden und die Regierung mit offenen Karten spielt“, sagt Rückert. Anders als bei Ex-Präsident François Hollande, der die linken Wähler mit einem wirtschaft­sfreundlic­hen Kurs verschreck­te, sei dies bei Macron der Fall.

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Foto: Michel Euler, afp Macron will Frankreich­s Arbeitsmar­kt reformiere­n.
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Foto: Fredrik von Erichsen, dpa Tritt er damit in die Fußstapfen des deut schen Ex Kanzlers Gerhard Schröder?

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