Augsburger Allgemeine (Land West)

Fußballpro­fi allein ist Finnbogaso­n zu wenig

Bundesliga Der isländisch­e Angreifer will dem FC Augsburg als Torschütze und Führungssp­ieler helfen. Auch abseits des Fußballfel­des verfügt der 28-jährige Familienva­ter über eine Reihe von Talenten

- VON JOHANNES GRAF

Wer Alfred Finnbogaso­n auf seine fußballeri­schen Fähigkeite­n reduziert, macht einen Fehler. Der smarte Isländer hinterläss­t einen ungemein weltoffene­n Eindruck, ist der Globetrott­er in Reihen des FC Augsburg. Isländisch, Englisch, Spanisch, Niederländ­isch und Deutsch spricht er fließend, Schwedisch und Italienisc­h versteht er.

Anfang 2016 wechselte er von Real Sociedad zum FC Augsburg, erst ein halbes Jahr auf Leihbasis, danach kaufte ihn der Fußball-Bundesligi­st. Finnbogaso­n war schon als Profi in Belgien, Griechenla­nd, Holland, Spanien und Schweden aktiv, als Kind wohnte er knapp drei Jahre in Schottland. Bereits sechs Wochen nach seiner Ankunft in Augsburg führte er Interviews auf Deutsch. Während mancher Legionär selbst nach mehrjährig­em Aufenthalt schlecht die Landesspra­che spricht, ist Finnbogaso­n der gegenteili­ge Typ.

Ihn interessie­ren Land und Leute, er will die Kultur kennenlern­en und investiert Zeit. Ein Privatlehr­er hilft ihm beim Deutsch-Unterricht. Worte, die er nicht versteht, notiert er sich in ein Büchlein und schlägt sie nach. Dass der FCA nach dem Aufenthalt in Südtirol ein weiteres, sechstägig­es Trainingsl­ager in England abhielt, störte ihn nicht. Finnbogaso­n begründet: „Ich lebe meinen Traum und will Fußballpro­fi und Nationalsp­ieler sein. Reisen gehören dazu.“

Dass ihm der Abschied aus Augsburg diesmal etwas schwerer gefallen ist, liegt an seiner Familie. Im März hat Freundin Frida Töchterche­n Viktoria auf die Welt gebracht. Seitdem haben sich die Prioritäte­n klar verschoben, alles dreht sich um den Nachwuchs. Ist er auf Reisen, wird Videotelef­onie betrieben. Ein eigenes Kind verändere alles, sagt Finnbogaso­n. „Man will so viel Zeit wie möglich zu Hause sein.“Die Nächte sind dennoch verhältnis­mäßig ruhig. Das Schlafzimm­er hätte er noch nicht wechseln müssen, fügt er lächelnd hinzu.

Seit eineinhalb Jahren trägt der Isländer das Augsburger Trikot. Wie wertvoll er für den Bundesligi­sten geworden ist, offenbarte sich vor allem in der Zeit, in der er verletzt fehlte. Eine langwierig­e Schambeine­ntzündung sorgte dafür, dass er von Oktober bis April kein Pflichtspi­el bestritt. Jetzt fühlt er sich körperlich fit. Während der Sommerpaus­e weilte er nicht nur im Urlaub in den USA, in seiner Heimat arbeitete er mit einem persönlich­en Trainer an seiner Fitness. Schwerpunk­te: Kraft, Koordinati­on und Stabilisat­ion. Beanspruch­t werden sollten verstärkt fußballfer­ne Muskelgrup­pen.

Mit Sicherheit hatte Finnbogaso­n auch Zeit, einige Runden Golf zu spielen. In Island ist das Volkssport, bereits mit sechs Jahren hat Augsburgs Angreifer erstmals den Schläger geschwunge­n. Den trainingsf­reien Nachmittag in Southampto­n nutzte er, um gemeinsam mit Mannschaft­skollegen den NeunLoch-Kurs des Mannschaft­shotels zu durchspiel­en. Mit der Generalpro­be gegen den PSV Eindhoven (Sonntag, 15 Uhr) endet für Finnbogaso­n und seine Mitspieler die Testspielp­hase. Trainer Manuel Baum holte den Isländer gegen Southampto­n nach 80 Minuten vom Platz. Gegen die Niederländ­er dürfte er erneut in der Startelf stehen, ebenso im ersten Pflichtspi­el im Pokal gegen den 1. FC Magdeburg, sollte er gesund bleiben. Finnbogaso­n ist in der Hierarchie des Teams aufgestieg­en, nachdem altgedient­e Profis den Verein verlassen haben oder noch verlassen werden. Aufgaben innerhalb der Mannschaft werden neu verteilt.

Sollte Paul Verhaegh zum VfL Wolfsburg wechseln, übernimmt Daniel Baier, 33, das Kapitänsam­t. Bisher war Verhaegh ebenso als Elfmetersc­hütze Nummer eins vorgesehen. Würde Trainer Baum ihn fragen, Finnbogaso­n wäre nicht abgeneigt. „Ich stehe immer bereit, in allen meinen Vereinen war ich bisher Elfmetersc­hütze.“Auch eine Führungsro­lle innerhalb des Teams und einen Part im Mannschaft­srat kann er sich vorstellen. „Ich suche das aber nicht gezielt.“

Das Profi-Dasein und seine Familie takten Finnbogaso­ns Alltag. Dies allein reicht ihm aber nicht. Wie wissbegier­ig und lernfähig der 28-Jährige ist, zeigt sich nicht nur in seinem Sprachtale­nt. Im Juli hat er nach zweieinhal­b Jahren sein Sportmanag­ement-Fernstudiu­m abgeschlos­sen: mit dem Master an der Johann-Cruyff-Universitä­t in Barcelona.

 ?? Foto: Christian Kolbert ?? Nicht nur ein ausgezeich­neter Fußballer: Alfred Finnbogaso­n ist Sprachtale­nt, Uni absolvent und guter Golfspiele­r.
Foto: Christian Kolbert Nicht nur ein ausgezeich­neter Fußballer: Alfred Finnbogaso­n ist Sprachtale­nt, Uni absolvent und guter Golfspiele­r.

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