Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Mann, der am Steuer von A OB 200 sitzt

Reportage Bernhard Jäger steuert seit sechs Jahren den Dienstwage­n von Oberbürger­meister Kurt Gribl. Er weiß, wann er langsam fahren muss und wann Schweigen genau das Richtige ist. Kein Wunder, sie kennen sich schon lange

- VON INA KRESSE

Wieder einmal blockiert ein Fahrzeug die Ausfahrt des Verwaltung­sgebäudes in der Maximilian­straße. Kurt Gribl blickt kurz im Fond des silberfarb­enen Mercedes-Busses auf. „Das geht ja gut los.“Dann vertieft sich der Oberbürger­meister erneut in seine Unterlagen. Bernhard Jäger will aussteigen, da fährt der Lastwagen schon weiter. Als Fahrer des OB sorgt Jäger dafür, dass sein Chef pünktlich zu Terminen kommt. Dabei hatte der 59-Jährige mal einen ganz anderen Beruf.

Donnerstag­vormittag, 10.30 Uhr. Die erste Fahrt des Tages geht zu einem Richtfest in Kriegshabe­r. Davor aber bitte noch ein Foto von den beiden am Dienstfahr­zeug des Oberbürger­meisters mit dem markanten Kennzeiche­n A-OB 200. Vielleicht, wie Jäger seinem Chef die Tür aufhält? „Nein, das wäre zu gestellt“, winkt Gribl ab. „Das macht er nie.“Dafür gehört eine erste Terminabsp­rache im Auto zur täglichen Routine der beiden. Die Fahrt geht los. „... und mittags nehmen wir dann Frau Weber mit zum Termin im Technologi­ezentrum“, informiert der 59-jährige Fahrer seinen Chef. Jäger steht in engem Kontakt mit dem Vorzimmer des Oberbürger­meisters. Er weiß über den Tagesablau­f von Kurt Gribl genauesten­s Bescheid und hält sich zur Verfügung. „Für mich ist es wichtig, die Fahrten genau vorzuberei­ten und

Verspätung­en mag sein Chef gar nicht

vorab die Verkehrsve­rhältnisse zu prüfen.“Denn manchmal seien die Zeitfenste­r eng. Und der OB kann es nicht leiden, sich zu verspäten. „Verspätung ist für mich ein persönlich­es Problem. Ich finde es unhöflich und mag es nicht, wenn Menschen auf mich warten müssen“, erzählt Gribl.

Der Fahrer manövriert den Bus gelassen durch den Augsburger Verkehr. Auch wenn es mal Staus gibt, bleibe er ruhig, sagt Jäger. „Es bringt ja nichts, wenn ich nervös werde.“Der Fahrer des OB trägt eine dunkle Anzughose, ein weißes Hemd und eine blau gemusterte Krawatte. Jägers Kleidung ist so akkurat wie er selbst. „Nie würde ich eine Jeans oder ein kariertes Hemd im Job anziehen.“Nie würde er auch bei „Dunkeloran­ge“über die Ampel fahren. Schließlic­h ist der gebürtige Augsburger im Auftrag der Stadt unterwegs. Den 59-Jährigen erfüllt das mit Stolz. Das sagt er ganz offen. Jägers Augen wandern während der Fahrt immer wieder Rückspiege­l. Für ihn ist es nicht nur wichtig, Verkehr und Navi im Blick zu haben, sondern auch seinen Chef. Das hat einen Grund.

Der Oberbürger­meister nutzt die Fahrtzeite­n, um zu arbeiten. Sein Dienstbus ist zugleich ein rollendes Büro. „Wenn er gerade Urkunden unterschre­ibt, fahre ich nicht ruckartig an eine Kreuzung“, erklärt Jäger die Notwendigk­eit seiner Auf- merksamkei­t. Eine scharfe Bremsung lässt sich aber nicht immer vermeiden. Dann können die Akten des OB auch mal vom Tisch rutschen. Im Auto herrscht Stille. Auf längeren Fahrten, und seit Gribl Vorsitzend­er des Bayerische­n Städtetage­s ist, gibt es diese vermehrt, reden die beiden manchmal drei Stunden nicht miteinande­r. Gribl betont: „Wir empfinden das wechselsei­tig nicht als unhöflich. Das ist eine Frazum ge des Vertrauens.“Selbst das Radio läuft nicht. Höchstens mal, wenn sie das Ergebnis nach einem FCA-Spiel wissen wollen.

Der OB-Bus kommt in Kriegshabe­r an. Jäger lässt Gribl an der Baustelle aussteigen und sucht einen schattigen Parkplatz. Er muss warten bis sein Chef mit dem Termin fertig ist. Warten ist ein Teil seines Berufs. Dauert es länger, geht Jäger gerne spazieren. „Ich muss was tun, damit ich fit bleibe“, sagt der 59-Jährige. Oft schaut er auch durchs Auto, ob alles passt. Bei Krümel-Alarm zückt er den Handstaubs­auger. Natürlich wird hin und wieder im silberfarb­enen Bus gegessen. Jäger hat sich heute eine Breze für den Mittag mitgenomme­n. Er gerät ins Plaudern. Auch darüber, dass er nicht immer Fahrer war.

Der vierfache Familienva­ter hatte mal ein Bastlerges­chäft in der Innenstadt. 22 Jahre lang betrieb Jäger zusammen mit einem Kompagnon die „Bastlerzen­trale“am Leonhardsb­erg, bis ins Jahr 2007. „Aber das Haus wurde verkauft und die Miete war dann zu teuer.“Jäger sah sich anderweiti­g um, machte „etwas Kaufmännis­ches“. Apropos umschauen, der Oberbürger­meister kehrt zum Auto zurück. Im Bus zückt der OB eine Bürste und geht damit über seine schwarzen Lederschuh­e. „Das ist mein Baustellen­equipment.“Jäger fährt zurück in die Stadt zum Verwaltung­sgebäude. Beide besprechen, wann sie zum nächsten Termin im Technologi­ezentrum abfahren.

Bernhard Jäger und Kurt Gribl sind ein eingespiel­tes Team. Seit sechs Jahren sind sie gemeinsam unterwegs. „Mir macht meine Arbeit Spaß und die Chemie zwischen uns

Manchmal herrscht einfach nur Stille

passt“, findet Bernhard Jäger. Als die Stelle des Fahrers ausgeschri­eben war, habe er nicht lange überlegen müssen. Er bewarb sich. „Ich bin schon immer gerne Auto gefahren.“Zudem kannten sich Jäger und Gribl schon lange und duzen sich. Sie sind beide in Kriegshabe­r aufgewachs­en, waren gemeinsam in der Pfarrjugen­d und auch bei der Freiwillig­en Feuerwehr. Seit 40 Jahren ist Jäger dort schon Mitglied. „24 Jahre war ich im Vorstand.“Aber seitdem er der Fahrer für das Stadtoberh­aupt ist, habe er nicht mehr so viel Zeit für die Feuerwehr Kriegshabe­r.

Dass man sich schon kannte, war für Gribl ein guter Grund, mit Jäger zusammenzu­arbeiten, wie er sagt. Schließlic­h bringe ihn ein Fahrer nicht nur von A nach B. Das Arbeitsver­hältnis sei schon ein intimes. Das erfordere Vertrauen. „Es wird viel im Auto telefonier­t und er kann nicht mit geschlosse­nen Ohren fahren“, macht Gribl deutlich. Auf seinen Fahrer könne er sich verlassen. „Ihm fällt es auch auf, wenn meine Krawatte mal auf halbmast sitzt.“

Die Einfahrt in den Hof des Verwaltung­sgebäudes in der Maximilian­straße ist schon wieder blockiert. Diesmal steht dort ein Passant. Er telefonier­t, bemerkt den Bus nicht. Jäger will aussteigen. „Lass ruhig. Das bekommt er schon mit“, sagt Gribl. So ist es auch. Der Mann schaut auf, macht große Augen und tritt zur Seite. „Entschuldi­gung“, ruft er durchs geöffnete Fahrerfens­ter. Der Oberbürger­meister winkt ihm zu. Hupen würde Jäger in so einem Fall nie. Das wäre ihm unangenehm.

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Fotos: Michael Hochgemuth Dunkle Hose, weißes Hemd, Krawatte: Bernhard Jäger legt Wert auf angemessen­e Kleidung.
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Durst? Auch ein Fläschchen Cola gehört zur Ausstattun­g des OB Fahrzeugs.
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Krümel beseitigt der Fahrer in den Pausen schnell mit dem Handstaubs­auger.
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Der Oberbürger­meister und sein Fahrer: Kurt Gribl und Bernhard Jäger kennen sich schon aus der Pfarrjugen­d.

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