Augsburger Allgemeine (Land West)
So ein Käse
Unser Essen In der Käserei Reißler in Nordendorf entstehen mehr als 30 Sorten. Der Chef Stefan Kaiser erklärt, wie sie hergestellt werden und warum sich die Jahreszeiten auf die Produktion auswirken. Serie, Teil 6
Nordendorf
Alle zwei Tage fährt bei der Käserei Reißler in Nordendorf der Milchwagen vor. 20000 bis 23000 Kilogramm Milch werden auf diese Weise von acht Landwirten aus den Westlichen Wäldern eingesammelt und in die Käserei gebracht. Alle, die die Käserei Reißler beliefern, produzieren unter dem Siegel „Geprüfte Qualität Bayern – ohne Gentechnik“. Steht der Wagen auf dem Hof, läuft die Produktionsmaschinerie an, die Stefan Kaiser, Chef der Käserei und gelernter Molkereimeister, von der Pike auf gelernt hat. Seit zehn Jahren ist er für die Produkte aus der Käserei verantwortlich. Seit fünf Jahren ist der Betrieb in Nordendorf ansässig.
Noch bevor die Milch den Wagen verlässt, steht die erste Untersuchung an. Der sogenannte Hemmstofftest zeigt, ob sich Antibiotika in der gelieferten Milch befinden. Wäre dies der Fall, könnte die Milch nicht weiterverarbeitet werden. Fällt das Ergebnis des Tests hingegen ohne Antibiotika-Nachweis aus, wird die Laborprobe entnommen. Nun werden Eiweiß- und Fettgehalt bestimmt. „Diese sind entscheidend für den Produktionsprozess“, erklärt Kaiser. Während der Fettgehalt der Kuhmilch im Sommer bei 3,9 Prozent und im Winter bei 4,4 Prozent liegt, schwankt der Eiweißgehalt zwischen 3,4 Prozent im Sommer und 3,6 Prozent im Winter. Abhängig ist dieser Wert vor allem von der Fütterung und der Rasse der Tiere. Zum Vergleich: Büffelmilch liegt bei 5,5 Prozent Fett und Schafsmilch mit 8 Prozent noch einmal deutlich darüber.
Wichtig ist der Eiweiß- und Fettgehalt vor allem für die Produktion, denn je nach Eiweißgehalt müssen die Temperaturen bei der Käsefertigung, der Schnitt und auch die Verweildauer im Reiferaum abgestimmt werden. Doch bevor das Produkt dorthin gelangt, wird es für 15 bis 30 Sekunden auf 72 bis 75 Grad Celsius erhitzt. Der Vorgang, der im Fachjargon „Pasteurisieren“genannt wird, ist die schonendste Art, um Milch haltbar zu machen. So bleibt die Qualität von Eiweiß und Kalzium erhalten.
In diesem Betrieb konzentriert man sich auf die Käseherstellung. 25 aus Kuhmilch und neun Sorten aus Ziegenmilch nehmen viel Zeit in Anspruch. Außerdem wird noch stichfester Joghurt produziert.
Mit einer Temperatur von 35 Grad wird die Milch in die Käsewanne gekippt. Milchsäurekulturen werden zugesetzt. Der Säuerungsprozess setzt ein. Aromen entwickeln sich. Etwa eine Stunde dauert dies. Dann wird das Enzym Lab zugesetzt, das aus dem Kälbermagen gewonnen wird. Binnen 30 Minuten lässt es das Eiweiß dick und die Milch fest werden. Durch diese sogenannte „Gallerte“wird die Käseharfe gezogen.
Bereits jetzt wird sichtbar, welcher Käse gerade gefertigt wird: Werden kleine Körner geschnitten, die gerade einmal so groß sind wie Weizenkörner, werden diese anschließend zu Hartkäse verarbeitet. Werden beim Bruch größere Körner bereitet, die auch so groß wie Walnüsse sein können, wird daraus Weichkäse. Durch das Rühren – das „Verziehen des Bruchs“– trennt sich die Molke vom Käsebruch. Zurück bleibt eine Käsemasse, die stabil wird und kaum Luftlöcher hat. Diese Massebildung wird durch das Umfüllen in spezielle Förmchen noch einmal zusätzlich begünstigt. Dreimal wird der Käse in den Förmchen gewendet, sodass die Molke gleichmäßig aus dem Käselaib abfließen kann. So verbleibt der Käse eine Nacht in der Käserei.
Am nächsten Morgen bekommt dieser dann ein Salzbad. Wie lang dies dauert, ist bei jedem Käse unSorten terschiedlich. Während der Romadur nur eine Stunde badet, verbleibt der Bergkäse dort für drei Tage. Anschließend wechselt der Käse in den Reiferaum. Die Zeit, die der Käse auf Gittern und Wagen in den Reiferäumen verbringt, ist abhängig von der Art: Weichkäse ist nach 14 Tagen reif, Hartkäse braucht mindestens sechs Monate. Schnittund Hartkäse werden bei 14 Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit von 90 Prozent gelagert. Weichkäsesorten wie der Camembert reifen bei einer Temperatur von 16 Grad und in einer Luftfeuchtigkeit von 98 Prozent. Halbfester Schnittkäse und Romadur warten in der Käserei Reißler bei 14 Grad und 98 Prozent Luftfeuchtigkeit darauf, verpackt und versandt zu werden.
Dreimal in der Woche werden die Käselaibe, die auf Fichtenbrettern gelagert werden, mit Salzwasser abgerieben. Für den leicht rötlichen Schimmer auf dem Romadur sorgen Rotschmierebakterien, die ebenfalls zum Einreiben benutzt werden. In Nordendorf passiert dieser Schritt noch in Handarbeit.
Die Produktion wird stets an die Milchbeschaffenheit angepasst. Im Sommer braucht die Käserei Reißler 10,5 Liter Milch, um ein Kilogramm Käse zu produzieren. Im Winter sind es nur 9,7 Liter. Mögliche Stellschrauben für gleichbleibende Qualität sind vor allem Milchsäurebakterien und die Temperaturen. Auch die Bruchgröße kann jahreszeitlich bedingte Schwankungen der Milch ausgleichen. Inwiefern sich Änderungen in der Produktion auf den Geschmack auswirken, zeigt sich spätestens bei der Verkostung, die vor jedem Verpacken in Nordendorf stattfindet. „Bei uns wird jeder Käse probiert“, verrät der Chef. Sein Lieblingskäse ist der Backsteiner. Dieser Weichkäse werde im Alter immer würziger und zerfließe richtig auf dem Teller, erklärt Kaiser schwärmerisch. Doch auch den Ziegenkäse, dem fälschlicherweise nachgesagt wird, dass er „bockle“, mag er sehr. Seine Liebe zur Käseherstellung hat der 33-Jährige schon recht früh entdeckt. Als 14-Jähriger habe er seinen ersten Käse im Waschkessel seiner Oma fabriziert, erinnert er sich. Heute produziert er in seiner Freizeit Mozzarella mit seiner vierjährigen Tochter.
Müsste er einen Trend beschreiben, so ist das der Wunsch der Kunden nach individuellen, manchmal sogar kantigen Produkten. Alte Sorten werden zunehmend nachgefragt. Gouda und Edamer erteilen dagegen viele eine Abfuhr. Stattdessen werden naturgereifte, mit Salzwasser geschmierte Arten und spezielle Saisonsorten immer beliebter: wie Käse mit Bärlauch und Basilikum in Frühling, Grillkäse im Sommer und Raclette-Käse in den Wintermonaten.