Augsburger Allgemeine (Land West)
Wann muss ein Hund an die Leine?
Gassigehen Läuft der Vierbeiner in Park, Wohngebiet oder Waldstück frei herum, wird er schnell zum Risiko für seine Umwelt. Experten erklären, warum nur selten das Tier selbst schuld ist und geben Tipps für den Umgang mit Hunden
Augsburg
Es passiert schneller, als Herrchen oder Frauchen handeln können. Zuerst beschnuppert man sich vorsichtig, einen Moment später aber werden Rute, Ohren oder Rückenfell aufgestellt. Und kurz darauf finden sich Hunde und Halter in einer Rauferei wieder, Zähnefletschen und Knurren inklusive. Auch Joggern, Radfahrern oder Spaziergängern können Hunde unangenehm oder gar gefährlich werden. Dabei müssen Begegnungen zwischen Hunden und Menschen nicht im Chaos enden. Mancherorts regelt das Zusammenleben eine Leinenpflicht. Was Hundebesitzer und andere wissen sollten, erklären die staatlich vereidigten Gutachter für Hunde, Winfried Hirsch und Anton Spindler.
Wann kann man einen Hund völlig sorglos frei laufen lassen?
Der Füssener Hundegutachter Winfried Hirsch empfiehlt, Hunde nur in gesicherten, umzäunten Bereichen von der Leine zu nehmen: „Da weiß man: Es kommt nichts und niemand dazwischen.“Seien Hunde äußerst gehorsam, könne man sie anderswo auch frei lassen. Vorsicht sei aber geboten: „Läuft der Hund ungehorsam und unkontrolliert herum, ist das nicht nur unbequem, sondern häufig auch gefährlich für seine Umwelt.“Um einen Hund sicher freilaufen zu lassen, müsse man ihn gut kennen.
Was bedeutet es für einen Hund, an der Leine zu laufen?
Vom Besitzer an der Leine geführt zu werden, ist Hunden nicht unangenehm, sondern mit der Situation eines Kindes an der Hand seiner Eltern zu vergleichen. Hirsch sagt: „Hat er Vertrauen zum Halter, fühlt sich ein Hund angeleint sicherer als frei laufend. Erst an der Leine hat er das Gefühl, dass das Rudel dabei ist.“
Braucht das Tier seine Freiheit?
Mit diesem Missverständnis unter Hundehaltern räumt Hirsch auf: Im Rudel bekäme ein Hund überhaupt keine Freiheit. Es herrschten starke Hierarchien, sich einzuschränken diene immer der Gruppe, sagt der Hundegutachter. Zeige ein Halter seinem Hund keine Grenzen auf, leide das Tier sogar eher.
Wo muss ein Hund an die Leine?
An welchen Orten Halter ihre Tiere anleinen müssen, regelt in Bayern jede Kommune selbst. In einer Hundeverordnung kann sie festlegen, wo Hunde frei laufen dürfen. Allerdings gilt die Verordnung nur für Rassen ab 50 Zentimetern Schulterhöhe, weshalb viele Kommunen sie ablehnen. Ob Hunde in Parks angeleint werden müssen, wird in Grünanlagenverordnungen vorgeschrieben. Gebote zum Anleinen gibt es auch nahe Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern und Altenheimen. Für gefährliche Hunde gilt eine allgemeine Leinenpflicht.
Wann gilt ein Tier als gefährlich?
Rassen aus der Liste der Kampfhunde wird eine gesteigerte Aggressivität attestiert. Unabhängig davon kann jeder Hund als gefährlich eingestuft werden. Fällt ein Tier auf, weil es etwa jemanden gebissen hat, gilt es als Sicherheitsrisiko. Behörden schalten dann Gutachter wie Anton Spindler ein, der anhand bestimmter Kriterien prüft, wie gefährlich das Tier ist. Ursachen für Aggressivität gebe es viele, sagt Spindler: „Es kann aus unglücklichen Umständen resultieren. Der Halter trägt dazu bei, wenn er den Hund falsch hält.“
Was passiert dann mit dem Hund?
Geht von einem Tier nachweislich ein Sicherheitsrisiko aus, machen Behörden dem Besitzer Auflagen. Es kann sein, dass der Hund immer angeleint oder mit Maulkorb laufen muss. Sehr schlecht erzogene Hunde müssten mit dem Halter einen Kurs zum Grundgehorsam belegen, sagt Spindler: „Im schlimmsten Fall muss der Hund sogar abgegeben werden.“
Wer ist an einer Rauferei schuld?
Gutachter Hirsch sagt: „Der Hund, der als erstes knurrt, bellt oder beißt, ist zu 95 Prozent nicht der, der den Streit angefangen hat.“Eher sei es so, dass er von dem anderen Hund längst mit Körpersprache provoziert worden sei und sich wehren müsse, weil er es nicht mehr aushalte. Schuld sind nach Hirschs Auffassung aber nicht die Hunde: „Handeln die Halter vorausschauend, kommt es gar nicht erst soweit.“
Wie kann man Ärger vorbeugen?
Die Begegnung mit Artgenossen tue Hunden gut und sei wichtig für ihre Sozialisierung, sagt Hirsch. Damit das friedlich gelingt, sollten Besitzer äußerst aufmerksam sein. Gutachter Spindler erklärt: „Am besten lässt man das Tier zuerst angeleint, sucht Blickkontakt und Gespräch mit dem Halter. Erst nach Absprache und wenn beide frei laufen, können Hunde miteinander spielen.“Dabei sollten die Besitzer die Situation genau im Auge behalten und regelmäßig mit Kommandos kontrollieren.
Was ist im Schadensfall zu tun?
Verletzt ein Hund einen Menschen, ist das Körperverletzung. Erwischt er einen Hund, handelt es sich um Sachbeschädigung, erklärt Spindler. „Der Halter muss dafür aufkommen.“Am besten tauschen Betroffene sofort die Personalien aus und überlegen sich, ob sie Anzeige erstatten wollen. Weil einige Besitzer uneinsichtig seien und sogar die Flucht ergriffen, empfiehlt Hundegutachter Hirsch, Fotos von Schäden und Hunden zu machen.