Augsburger Allgemeine (Land West)
Erkundungen in Bad Dumpfheim
Lesung Kabarettist Severin Groebner legt bei der Eröffnung der Literatur im Biergarten 2017 die Latte ganz hoch
Waren Sie schon mal in Bad Dumpfheim? Severin Groebner kennt sich dort aus. Der österreichische Kabarettist spricht eine touristische Empfehlung der grusligen Sorte aus. Perfekt persifliert er den Tonfall der Werbeprospekte mit schwärzestem Humor, der fiktive Urlaubsort versammelt alle üblen Seiten seines rotweißen Heimatlandes von völkischer Intoleranz bis zur Kurpfuscherei. Dabei lächelt der smarte Herr doch so nett … .
Zur Eröffnung der „Literatur im Biergarten“in der 29. Saison legt Groebner lustvoll trügerische Fährten, als brächte er jetzt etwas, das einfach nur unbeschwert Spaß macht. Selten hält er jedoch, was der Anschein verspricht, und pflegt stattdessen mit Wiener Nonchalance den Hang zum Sarkasmus. Auch er, der 48-Jährige, der zu den Piefkes nach Frankfurt am Main des größeren Bühnenerfolgs wegen verzogen ist, ist ein hinterfotziger Taubenvergifter im Park der guten Laune geblieben. Unter den Kastanien der Drei Königinnen zieht er das wie immer außerordentlich zahlreiche Publikum mit seinen messerscharfen Kolumnen aus dem echten Leben derart auf seine Seite, dass die Leute quieken vor Lachen.
Wie gut, dass die Österreicher im Ausland für Deutsche gehalten werden, für deren unmögliches Verhalten sich die Hälfte ihrer Mitbürger aufrichtig schämt. Genüsslich jagt Groebner die scharf geschlagenen Bälle zwischen den Nachbarländern hin und her. Die Rentner beider Nationalitäten nennt der Kabarettist schlicht „eine Massenvernichtungswaffe“: „Er schaut alles an, fotografiert alles, kommentiert alles. Und er wird immer ungerecht behandelt.“Das Werbeversprechen, ein Taxigutschein sei „immer das passende Geschenk“, steigert er bis zum Gipfel einer romantischen Nacht („Überraschung, Schatz!“).
Nicht einmal singend kann der Satiriker in Groebner Ruhe geben: So schmeichelnd und entspannt beginnt sein Song zur Baby-Gitarre – aber der Text! „Ich mache nur / Urlaub in einer Diktatur.“Und gleich darauf warnt er: „Auf dem Kinderspielplatz sitzt ein Terrorist“, um dann allen möglichen, durch keinerlei Fakten gestützten, dumpfen Vorurteilen zu frönen. Bloß nicht zu freundlich werden und die Wut verlieren! Geschweige denn höflich mit den Mitbürgern umgehen wie dieser einfältige Asylant im Wiener Taxi, den Groebner das Grobsein lehrt.
Stille Momente in diesen geistreichen Sottisen erzeugt Ruth Maria Rossel mit ihren Cello-Solostücken, die sie teilweise selbst geschrieben hat. Mal klingen die Melodien elegant-gemütlich nach Wiener Kaffeehaus um 1900, mal grooven und swingen die Saiten in komplexen, jazzigen Tonsätzen. Mucksmäuschenstill hält das Publikum und quittiert mit solche Aufmerksamkeit deren packende Qualität. Buchhändler Kurt Idrizovic hatte nicht zuviel versprochen: „Wir üben schon für die literarischen Festspiele 2018 zum 30-jährigen Jubiläum.“O
Nächsten Sonntag um 19 Uhr liest Gerald Huber über „Bier und Religion“, begleitet von Maria Reiter, Akkordeon