Augsburger Allgemeine (Land West)
Wo Augsburg im Sommer glüht
Stadtklima In stark bebauten Vierteln wie der Innenstadt ist es bei Hitze bis zu neun Grad heißer als im Stadtwald. Der Klimawandel wird das noch verschärfen. Was das für die Menschen bedeutet und was die Stadt dagegen tun kann
Das Phänomen wird an heißen Sommertagen wie heute spürbar sein: In Vierteln wie der Innenstadt, Lechhausen und Oberhausen wird es deutlich wärmer als im übrigen Stadtgebiet. Je nach Wetterlage und Tageszeit kann der Temperaturunterschied zwischen Innenstadt und dem Stadtwald bis zu acht oder neun Grad betragen. Der Grund: Dicht bebaute Viertel mit hohem Versiegelungsgrad und wenig Grünflächen speichern die Hitze durch die Sonneneinstrahlung stärker. „Nachts kann es dann dort zu keiner starken Abkühlung kommen“, sagt Dr. Christoph Beck vom Institut für Geografie an der Uni Augsburg.
Dass Städte sommers wie winters etwas wärmer als das Umland sind, ist nichts Neues. Allerdings wird dieser Effekt in Zukunft mit dem Klimawandel noch deutlicher spürbar, etwa mit der Zahl der Hitzetage und der Nächte, in denen das Thermometer nicht unter 20 Grad sinkt.
Was die einen genießen, ist für die anderen ein Problem. „Hitzetage sind Belastungstage für ältere Menschen“, sagt Umweltreferent Reiner Erben (Grüne). Doch die Wirkungen auf den Menschen sind komple- xer: Hitze kann speziell im Zusammenspiel mit Gewittern, die Pollen zum Platzen bringen, Asthma begünstigen, sagt Prof. Claudia Traidl-Hoffmann, Chefärztin der Ambulanz für Umweltmedizin am Klinikum. Durch steigende Durchschnittstemperaturen beginnen Pflanzen früher zu blühen, sodass Pollenallergiker inzwischen fast das ganze Jahr zu kämpfen haben. „Dass es in Ballungsräumen zu einem weiteren Temperaturanstieg durch mitunter eine enge Besiedelung, Industrieausstöße und Wärmeerzeugung aufgrund von Verkehr kommt, verstärkt die genannten Effekte umso mehr“, so TraidlHoffmann. Mehr Grün und Wasserflächen seien eine Möglichkeit, das Klima zu regulieren. Zudem seien sie Erholungsraum für Menschen. Stress werde bei der Entstehung von Krankheiten mitunter unterschätzt.
Die Geografen der Uni sammeln seit vier Jahren mit 45 übers Stadtgebiet verteilten Sensoren Daten zu Temperatur und Luftfeuchte und haben eine Temperaturkarte er- rechnet. In der Innenstadt liegen die Hitzeherde zwischen Hauptbahnhof Königsplatz, Fußgängerzone und Teilen der Altstadt. Äußere Stadtteile und Umlandgemeinden sind tendenziell weniger betroffen.
Auch innerstädtische Grünflächen wie Westfriedhof oder Wittelsbacher Park kühlen, so eines der Ergebnisse. In eingeschränktem Maß gilt das auch für die Stadtbäche. „Direkt über dem Wasser ist es ein halbes bis ein Grad kühler, wobei der Effekt sofort abnimmt, wenn man sich wegbewegt“, so Geograf Beck. Wie weit die kühlende Wirkung des Siebentischwaldes in die bebaute Stadt reicht, soll als Nächstes erforscht werden.
Umweltreferent Erben sieht den Erhalt von Bäumen als einen wichtigen Ansatzpunkt vor Ort. „Jeder Baum und jede Allee sind wichtig. Wer unter Bäumen läuft, merkt, dass es dort kühler ist.“Dies müsse man auch bei der Planung von Neubauvierteln berücksichtigen. „Vor allem geht es aber um den Erhalt von Bäumen und Grünzügen.“Dies sei neben grundsätzlichen Bemühungen zum Klimaschutz und Energiesparen ein wichtiger Baustein.
Im Entwurf des Stadtentwicklungskonzeptes, das die Zukunft der Stadt in den kommenden 30 Jahren regeln soll, denkt die Verwaltung auch über die Förderung von Dachund Fassadenbegrünung nach. Dies gelte gerade in den dicht besiedelten „Hitzeinsel“-Stadtteilen. Auch um Pflegeheime und Schulen müsse man sich Gedanken über zusätzliche Baumpflanzungen machen.
Neben dem innerstädtischen Grün und Wasserflächen, die Verdunstungskälte erzeugen, sind Frischluftkorridore das wichtigste Instrument, um das Stadtklima zu regulieren. Ihre frische (und kühlere) Luft bekommt die Stadt vor allem aus den Westlichen Wäldern und über die Hochterrasse zwischen Lech und Wertach im Süden. Auch entlang der Flussläufe von Lech und Wertach fließt frische Luft. Gerade die Frischluftschneise auf der Hochterrasse ist nicht einfach zu erhalten, weil Augsburg fast nur im Süden potenzielle Entwicklungsflächen hat. Bei der gescheiterten BMW-Ansiedlung vor knapp 20 Jahren wären die Werkshallen am Frischluftkorridor gebaut worden.
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