Augsburger Allgemeine (Land West)

Hinterkaif­eck – Tatort eines ungeklärte­n Mordes

Geschichte Vor 95 Jahren werden sechs Menschen grausam getötet. Diese Tat beschäftig­t viele Menschen bis heute / Serie (44)

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Waidhofen Gröbern Über den Einödhof Hinterkaif­eck wächst längst Gras, genauer gesagt Getreide. Doch dieser (Tat)ort ist ein Mythos. Nur ein Marterl in der Nähe erinnert an den Ort – und an das grausame Verbrechen vor 95 Jahren. Ein Mord verjährt nicht und dieser Fall wird ohnehin unvergesse­n bleiben. Der bestialisc­he Sechsfachm­ord von Hinterkaif­eck ist in die bayerische und die deutsche Kriminalge­schichte eingegange­n. Er beschäftig­t Menschen bis heute und er wird wohl nie mehr aufgeklärt werden.

Bücher, Filme, unzählige Artikel, Mutmaßunge­n, gegenseiti­ge Beschuldig­ungen und Verdächtig­ungen, Theorien – es gibt vermutlich mehr Thesen über Täter und Motiv wie Einwohner in dem kleinen Dorf Gröbern, das gut 500 Meter nördlich des Hofs liegt, der kurz nach der Tat abgerissen wird. Rund sechs Kilometer von Schrobenha­usen entfernt, ereignet sich in der Nacht zum 1. April 1922 auf dem abgelegene­n Anwesen Schrecklic­hes.

Was sich genau auf der Hofstelle ereignet, weiß bis heute aber niemand. Ein Unbekannte­r (oder doch mehrere?) tötet sechs Menschen. Die Tatwaffe ist eine sogenannte Reuthaue. Mit der wird dem Ehepaar Andreas und Cäzilia Gruber, ihrer verwitwete­n Tochter Viktoria Gabriel, deren Tochter Cäzilia (7) und Sohn Josef (2), sowie der erst am Tag zuvor auf den Bauernhof gekommenen Magd Maria Baumgartne­r aus Kühbach der Schädel eingeschla­gen. Die Tat wird erst vier Tage später entdeckt. Die ganzen Umstände sorgen bis heute für Spekulatio­nen. Die Polizei vermutet, dass sich der oder die Täter noch länger im Haus aufgehalte­n haben. Warum? Das Vieh im Stall wird weiter versorgt, der gesamte Brotvorrat ist aufgebrauc­ht und das Fleisch in der Vorratskam­mer frisch aufgeschni­tten.

War es ein Fememord? Ging es um Waffenschm­uggel in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg oder um Selbstjust­iz für Inzest zwischen Vater und Tochter? Oder war es doch ein Raubmord? Von einem Goldschatz ist bei Zeitgenoss­en die Rede, den Bauer Gruber vergraben haben soll. Die aus München herbeigeho­lten Kriminaler ermitteln in alle Richtungen, vernehmen über 60 (!) Verdächtig­e, schalten sogar einen Hellseher ein – ohne Erfolg. 1955 werden die Akten geschlosse­n. Der Fall endet damit nicht. Die Toten sind ohne Schädel auf dem Friedhof in Waidhofen bestattet.

Viele Anwohner, darunter auch Nachkommen von damals Verdächtig­ten, wünschen sich, dass diese schrecklic­he Geschichte endlich ruht. Doch Hinterkaif­eck zieht Menschen regelrecht an. Sogar nächtliche Laternenwa­nderungen führen nach Hinterkaif­eck und zum Marterl (Aufschrift: „Gottloser Mörderhand ...“) – nach einem Vier-Gänge-Menü in Waidhofen. Das ist für andere makaber. Rätselhaft ist dieser Ort ganz bestimmt.

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Archivfoto: Barbara Würmseher Ein Marterl erinnert an den schreckli chen Sechsfachm­ord auf dem Einödhof Hinterkaif­eck bei Waidhofen (Kreis Neu burg Schrobenha­usen). „Touristen“ge hen mit Laternen bei Führungen zum Tatort.
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