Augsburger Allgemeine (Land West)
Was für die Augsburger Frieden bedeutet
Aktion Weit über 1000 Menschen genießen an der diesjährigen Friedenstafel auf dem Rathausplatz Essen und gute Gespräche. Als es dabei zu einem kleinen Zwischenfall kommt, beeinträchtigt das die Stimmung überhaupt nicht
Als Oberbürgermeister Kurt Gribl am Mittag dann die Friedenstafel offiziell eröffnet und einen guten Appetit wünscht, erfüllt sich der Rathausplatz mit Lachen. Schließlich haben etliche Besucher ihre mitgebrachten Speisen zu diesem Zeitpunkt längst verzehrt. Weit über 1000 Menschen kamen gestern, um an den vielen Tafeln vor dem Rathaus gemeinsam zu speisen und das Friedensfest zu feiern. Dabei gab es jedoch einen kleinen Zwischenfall.
Schon gegen halb zehn Uhr morgens kamen laut Christiane Lembert-Dobler die ersten Gäste, um sich Plätze zu sichern. Der Rathausplatz füllt sich am Vormittag schnell. Obwohl laut der Friedensbüro-Leiterin dieses Jahr noch mehr Tische und Bänke aufgestellt wurden, findet nicht jeder Platz. Daniel und Mirja Feiger mit Kind und ihre syrischen Freunde etwa haben es sich kurzerhand auf einer Decke auf dem Kopfsteinpflaster bequem gemacht. Sie essen selbst gemachte Pizzaschnitten und von den Trauben, die unter anderem kostenlos verteilt werden. Bei der Frage, was Friede für sie heißt, herrscht kurz Stille. Die Bedeutung von Friede lasse sich schlecht auf einen Satz reduzieren, findet der junge Familienvater Feiger und versucht es doch: „Unterschiede aushalten und Vielfalt als Bereicherung wahrnehmen, nicht als Gefahr“.
Für Benjamin Lorenz, der mit Bekannten an einem Tisch sitzt, beginnt Friede schon mit der Kommunikation. „Für mich bedeutet es, gewaltfrei miteinander reden zu können. Worte können wie abgeschossene Pfeile sein, die man nicht mehr zurückholen kann.“In Hochzoll, wo er wohnt, bekomme er leider oft genug mit, wie giftig Kinder miteinander umgehen. Apropos Kinder: Maria Hafner, die mit Tochter Pia gemütlich an einer der Tafeln sitzt und isst, kümmert sich oft genug um Frieden, wie sie erzählt. „Ich habe zwei Kinder. Da versuche ich hin und wieder, Frieden zu stiften“, sagt die Mutter mit einem Augen- zwinkern. Das Augsburger Fest findet sie schön. „Es ist etwas Einmaliges.“
An den Tischen sitzen junge und alte Menschen zusammen, Menschen verschiedener Herkunft. Viele kennen sich nicht. Aber man kommt ins Gespräch und lässt gegenseitig die Köstlichkeiten probieren. Wie Ordensschwester Martina. Die 84-Jährige verschenkt gleich ihre Gurken. „Aus dem eigenen Garten.“Friede ist für sie das Wichtigste, sagt die betagte Frau. „Man kann mal aneinander rücken, aber dann geht man her und entschuldigt sich.“So könne man gut leben. Zwischen den vielen schönen Gesprächen gibt es kurzzeitig Aufregung. Unbekannte rollen ein Transparent auf der Terrasse des Perlachturms aus. „Gegen das, was Ihr Frieden nennt. Multikulti tötet“, steht auf dem gelben Plakat in schwarzen Buchstaben. Vertreter der Stadt und Polizei eilen die Treppen hinauf. Die Unbekannten treffen sie nicht mehr an. Das Plakat wird entfernt. Vermutet wird, dass die Identitäre Bewegung, die der rechtsextremen Szene zugeordnet wird, dahinter steckt. Richard Goerlich, Sprecher des Oberbürgermeisters, zufolge werde nachzugehen sein, wie die Unbekannten dort hoch kamen. Zwar ist der Perlachturm am Feiertag geöffnet, die Luke zur Terrasse aber war abgesperrt. Die Polizei ermittelt. Der schönen Stimmung auf dem Rathausplatz tut dies aber keinen Abbruch. I
Bilder vom Fest finden Sie unter: www.augsburger allgemeine.de