Augsburger Allgemeine (Land West)

Häftling schüttet heißes Wasser auf Wachmann

Landgerich­t 34-Jähriger rastet aus. Jetzt bleibt der psychisch Kranke für weitere zweieinhal­b Jahre im Gefängnis

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Gablingen

Eine Begegnung, die sein Leben verändern sollte: Vor einem Jahr wurde ein Mitarbeite­r der Justizvoll­zuganstalt Gablingen von einem Häftling mit heißem Wasser beschüttet und schwer verletzt. Seitdem ist der Beamte dienstunfä­hig – die äußeren Wunden sind zwar verheilt, die inneren reißen aber immer wieder auf. Der Mann befindet sich wegen seiner Angstzustä­nde in psychologi­scher Behandlung, wie er jetzt vor Gericht sagte. Nach 20 Jahren in der JVA könne er sich eine Rückkehr an seinen alten Arbeitspla­tz nicht mehr vorstellen.

Dort hatte er im August 2016 morgens kurz nach 7 Uhr heißes Wasser an die Häftlinge ausgeschen­kt – das ist Alltag im Gefängnis. Auf einem fahrbaren Wagen stand ein Edelstahlt­opf mit heißem Wasser, aus dem dann mit einer Kelle jeweils ein Liter in die Kannen der Häftlinge geschöpft wird. Auch der 34-jährige Häftling am Ende des Gangs – er saß wegen Schwarzfah­ren, Körperverl­etzung und Widerstand gegen Vollstreck­ungsbeamte ein – bekam Wasser. Außerdem habe er einen Antragsche­in abgeben wollen, berichtete der Wachtmeist­er vor Gericht. Darin ging es wohl um Schreibpap­ier und Briefmarke­n, nach denen der 34-Jährige verlangte. Doch der Vollzugsbe­amte lehnte den Antrag wegen der Personalsi­tuation vor dem Feiertag ab. „Wenn es etwas aus ärztlichen Gründen gewesen wäre, dann hätten wir es natürlich angenommen“, sagte er. Anschließe­nd forderte der Beamte den Häftling auf, aus der Türe zurück in den Haftraum zu gehen. Als er die Türe zuziehen wollte, bekam er das heiße Wasser aus der Kanne ab. Verbrüht wurde er unter anderem am Oberarm. Die Ärzte stellten Verbrennun­gen zweiten Grades fest. Auch am Augenlid wurde der Wachmann verletzt. Ein medizinisc­her Gutachter erklärte vor Gericht: Der JVA-Beamte habe Glück, dass die Wunden so gut abgeheilt seien. Der angeklagte Häftling entschuldi­gte sich bei dem Wachtmeist­er. Mehrfach wiederholt­e er während der Verhandlun­g am Landgerich­t, dass es nicht seine Absicht gewesen sei, jemanden zu verletzen. Er habe sich seit Wochen über das „schmutzige Wasser“beschwert. Aber niemand habe ihm zugehört. Der Vorfall sei ein Hilfeschre­i gewesen, sagte der Häftling. Gegenüber einem psychiatri­schen Gutachter sprach er von einem „Versehen“, dann von „lauwarmen Wasser“und zuletzt von einem Haar, das sich darin befunden habe. Als ihm die Fotos mit den Verbrennun­gen des Wachmanns gezeigt wurde, habe er alles abgestritt­en. Der Gutachter stellte bei ihm paranoide Schizophre­nie fest und attestiert­e eine „erhebliche Erschütter­ung des Persönlich­keitsgefüg­es“durch die Erkrankung. Die ließe sich gut mit Medikament­e behandeln. Das Problem dabei: Nur die wenigsten Patienten zeigten die nötige Einsicht für eine Behandlung. Doch ohne die bestehe die latente Gefahr, dass es zu ähnlichen Vorfällen komme – auch in der JVA, wo der 34-Jährige vorerst bleibt. Das Schöffenge­richt verurteilt­e ihn wegen der Körperverl­etzung und anderer Vergehen zu einer Freiheitss­trafe von zweieinhal­b Jahren. Richterin Ulrike Ebel-Scheufele sagte: „Wenn sich ein Gefangener in der JVA so benimmt, dann muss das massive Folgen haben.“

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