Augsburger Allgemeine (Land West)
Zurück in die Vergangenheit? Lieber nicht
So schön es ist, das mittelalterliche (und frühneuzeitliche) Treiben am Roten Tor, wirklich zurück in diese Zeit möchte wahrscheinlich niemand. Der festliche Blick von heute auf diese Zeit taucht alles in einen romantischen Grundton – es gab Ritter, Edelfräulein und die Minne. Und alles Leben ruhte auf einem festen Fundament, weil die Kirche und der Glaube allem Irdischen einen höheren Sinn gaben. Der Siegeszug der Wissenschaft hatte noch nicht begonnen.
Aber man übersieht allzu schnell, von was die Menschen damals regelmäßig heimgesucht wurden: Hungersnöte, Seuchen und immer wieder Gewalt und Krieg. Die Kindersterblichkeit war hoch, und die Lebenserwartung war kürzer. Sich wirklich ins Mittelalter zurücksehnen? Lieber nicht. Da langt ein mehrtägiger Flirt mit dem historischen Fest vollkommen aus.
Aber man muss ja gar nicht so weit zurückgehen in der Zeit. In dieser Woche war es ein Gespräch über die DDR, das im Grund ähnliche Phänomene hervorbrachte. Und es ging in dem Gespräch auch um Menschen, die die Geschichte einfach auf den Kopf stellen. Die DDR war 1989 faktisch pleite und deren volkseigene Betriebe ineffektiv und marode. Aber in vielen Köpfen hat sich festgesetzt, dass erst der Westen die Arbeitsplätze dort nach der Wiedervereinigung vernichtet hat, weil damals die heruntergewirtschafteten Firmen im großen Stil geschlossen wurden. Nein, die SED-Diktatur sollte man auch nicht verklären. Es ist schlimm genug, dass es diese Partei heute immer noch gibt, sie hat sich lediglich mehrfach umbenannt, mittlerweile in „Die Linke“.
Aber wie umgehen mit Vergangenheit und Geschichte? Wir sind jetzt gerade jeden Dienstag mit unserer Sommerserie „Kultur aus der Ulmer Straße“in Kriegshaber. Was uns dort auffällt, ist, wie viel sich in 70 Jahren dort geändert hat, wie große Firmen entstanden und auch wieder verschwunden sind und wie aus Kasernen Wohngebiete geworden sind. Und Letzteres ist doch eine Entwicklung, die positiv ist: junge Familien an einer Stelle, an der es davor um Krieg ging.