Augsburger Allgemeine (Land West)

Die „Top 5“der heimischen Wildkräute­r

Mariä Himmelfahr­t Expertin erklärt Wirkung wichtiger Pflanzen vom Wegesrand. Viele dieser Gewächse sind bewährt in Küche und Medizin. Warum eines früher in Klöstern verboten war

- VON CHRISTOPHE­R BESCHNITT (KNA)

Rehling Ursula Higls Kräuter-Begeisteru­ng wurzelt in einer traurigen Zeit. Sie hat mit dem Krieg zu tun: „Mein Vater erzählt immer, dass er seine Gefangensc­haft in Russland nur überlebt hat, weil er den Kümmel kannte“, sagt die 52-Jährige aus Oberach bei Rehling. „Den hat er bei Märschen vom Wegesrand gepflückt, er hat ihm wichtige Nährstoffe gegeben, die er sonst kaum bekommen hätte.“Diese Geschichte von pflanzlich­er Wirkkraft habe sie schon als Kind und seither immer wieder aufs Neue fasziniert. So sehr, dass sie eine Zusatzausb­ildung absolviert hat: zur Kräuterpäd­agogin.

Als solche gibt Higl ihr Wissen heute an andere weiter, etwa bei Veranstalt­ungen der Caritas oder des Katholisch­en Deutschen Frauenbund­es. Dass die Expertin oft in christlich­en Kreisen verkehrt, passt. Denn: „Zu vielen Gewächsen gibt es Legenden und Anekdoten mit Kirchenbez­ug“. Das zeige sich schön beim anstehende­n Fest Mariä Himmelfahr­t am 15. August: „Dann werden zur Segenserbi­ttung Kräuterbus­chen geweiht. Maria gilt ja als große Blumenfreu­ndin.“

Der Termin könnte dafür kaum besser gelegen sein. „Im Hochsommer grünt und blüht doch alles“, sagt die Expertin. Ob dabei denn manche Pflanzen herausstec­hen? Higl meint: „Ja. Es gibt schon ein paar, die für eine gesunde Ernährung und ihrer Heilkraft wegen besonders wertvoll sind.“Sie hat deshalb folgende „Top 5“der heimischen Wildkräute­r zusammenge­stellt: ● Brennnesse­l „Man kann sie als Salat und wie Spinat essen, daraus backen oder Tee kochen“, erklärt die Fachfrau. Wer die Nessel frisch genießen wolle, müsse erst ihre Brennhärch­en zerstören. „Das geht, indem man ein Nudelholz darüber rollt.“Die Prozedur lohne sich: „In der Nessel steckt reichlich Vitamin C – fast 30-mal mehr als in Kopfsalat“. Hinzu kämen viel Kalium, Kalzium und Kieselsäur­e. Die Pflanze wirke gut auf die Harnwege und über ihre Samen aphrodisie­rend. „Früher war sie in Klöstern daher verboten.“Brennnesse­lsuppe hingegen sei einst ein Karfreitag­sessen gewesen – der bittere Geschmack habe ans Leiden Jesu erinnern sollen. ● Gundermann Dieses oft in Rasen wachsende Kraut ähnelt der Taubnessel, jedoch ist es kleiner und blüht lila statt weiß. „Es wirkt wegen seiner ätherische­n Öle gut gegen Schürfwund­en“, sagt Higl. „Außerdem verleiht es herzhaften Gerichten eine herbe Würze.“Früher hätten Menschen geglaubt, dass, wer an Walpurgis mit einem Gundermann­Kranz auf dem Kopf in eine Kirche gegangen sei, dort etwaige Hexen habe erkennen können. ● Löwenzahn „Er verfügt über Bitterstof­fe, die die Verdauung und die Gallentäti­gkeit anregen.“Die Blätter eigneten sich als Salat, die Knospen als Ka-pernersatz und die Blütenblät­ter als Dekoration für Gebäck. Im Mittelalte­r habe Löwenzahn wegen der Verwandlun­g seiner Blüte in eine „Federkugel“als Sinnbild der Auferstehu­ng Jesu gegolten. ● Spitzweger­ich Higl rät: „Ein Blatt davon, das man auf einen Insektenst­ich reibt, wirkt super gegen Jucken“. Grund dafür seien antientzün­dliche Stoffe. Außerdem enthalte Wegerich Schleimsto­ffe. „Sie lindern Halsschmer­zen und Hustenreiz.“In der christlich­en Symbolik stehe der Wegerich wegen seiner Ausbreitun­gskraft für die erfolgreic­he Expansion des Glaubens durch die Missionare. ● Vogelmiere „Sie ist reich an pflanzlich­em Eiweiß, Kalium, Vitamin C und A und enthält auch EleChips mente wie Phosphor, Magnesium, Kupfer und Silizium“, erzählt Higl über diese Pflanze, die wie Mais schmeckt und sich gut als „Zwischendu­rch-Snack“eignet. Vogelmiere wachse selbst im Winter unterm Schnee. „Insofern kann man sie als Symbol fürs ewige Leben sehen.“Zwar freue diese Wuchskraft nicht jeden Gartenbesi­tzer. „Aber Miere bedeckt rasch den Boden und schützt ihn so vor Erosion“, sagt Higl. Deshalb solle man die Pflanze ruhig in Frieden lassen. „Kräuter sind eben keine Gegner, sondern Helfer – die Kümmel-Kriegsgesc­hichte meines Vaters ist dafür doch der beste Beweis.“

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Foto: Christophe­r Beschnitt, Kna Kräuterbus­chen sind nicht nur hübsch anzusehen, sondern enthalten oftmals Pflanzen mit Heilkraft. Ursula Higl verrät, gegen wel ches Zipperlein welches Kraut gewachsen ist und was man mit den Pflanzen alles anfangen kann.
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Foto: AZ Archiv Lindert vor allem Insektenst­iche und Hals weh: der Spitzweger­ich.

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